Vatikan und Russland planen Botschafteraustausch

Diplomatische Normalisierung und ökumenische Fortschritte

92 Jahre nach der Oktoberrevolution planen der Vatikan und die einstige kommunistische Weltmacht die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen. Russlands Präsident Dimitri Medwedew und Papst Benedikt XVI. kamen bei einer Begegnung am Donnerstagabend im Vatikan überein, die seit 1990 bestehenden guten Arbeitskontakte aufzustocken und Botschafter auszutauschen. Medwedew hatte zuvor sein Außenministerium angewiesen, mit dem Vatikan Gespräche mit diesem Ziel aufzunehmen.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Die Entscheidung ist ein weiterer Schritt der Annäherung. Als am 1. Dezember 1989 der damalige sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow zu einem halboffiziellen Besuch in den Vatikan kam, war das eine Sensation. Nach Jahrzehnten ideologischer Feindschaft und Religionsunterdrückung reichten sich der Kreml-Chef und das katholische Kirchenoberhaupt die Hand. Wenige Monate später entsandte der Perestrojka-Politiker einen ersten Sonderbotschafter an den Heiligen Stuhl und nahm offizielle Arbeitskontakte auf.

Als Boris Jelzin Ende 1991 in der Schlussphase der Sowjetunion den Papst aufsuchte, wirkte die Begegnung fast schon wie sachlich-freundliche Routine. Und Wladimir Putin, Medwedews unmittelbarer Vorgänger, reiste sogar dreimal zum Papst: In den Jahren 2000 und 2003 traf er Johannes Paul II., im Jahr 2007 Benedikt XVI. Die Spitzenbegegnungen verliefen freundlich und konstruktiv. Sie galten den großen Fragen der Menschheit, den internationalen Krisenherden, der Bedrohung durch Extremismen und der Notwendigkeit gewaltfreier Konfliktlösungen.

Aber so freundlich und konstruktiv die Gespräche auch waren: Die Beziehungen blieben auf der diplomatisch untergeordneten Ebene der Arbeitskontakte. Ein offizieller Botschafteraustausch kam mit Rücksicht auf die starke russisch-orthodoxe Kirche nicht zustande. Sie versteht sich nach ostkirchlichem Rechtsempfinden in Russland als Staatskirche. Politik und Regierung bemühen sich, diesem besonderen Anspruch Rechnung zu tragen.

Zwar hat sich das ökumenische Verhältnis zwischen Rom und dem Moskauer Patriarchat in letzter Zeit erheblich verbessert, was besonders dem für Ökumene zuständigen deutschen Kurienkardinal Walter Kasper zu verdanken ist. Und die «Zwischeneiszeit» von 2002 nach der Errichtung von vier katholischen Diözesen auf russischem Territorium ist überwunden. Aber bislang blieb es bei den niedrigrangigen diplomatischen Kontakten.

Daher ist es doch ein Stück weit eine Überraschung, dass Russland unter Medwedew nun doch einen Botschafteraustausch mit dem Vatikan anstrebt. Dass die russische Regierung im Rahmen ihrer Westpolitik an höheren Kontakten zum Vatikan interessiert ist, war seit Jahren erkennbar. Es gilt als sicher, dass Medwedew seine Ankündigung nicht ohne Einverständnis des Moskauer Patriarchats gemacht hat - was auf ökumenische Verbesserungen schließen lässt.

Beobachter sehen einen Zusammenhang mit dem Wechsel an der Patriarchatsspitze, wo nach dem Tod von Alexij II. jetzt Patriarch Kyrill I. die Amtsgewalt hat. Das bedeutet freilich nicht, dass ein Papstbesuch in Moskau damit näher gerückt wäre. Jedoch wird die diplomatische Normalisierung für die Katholiken in Russland von Vorteil sein.

Der absehbare Botschafteraustausch mit Russland ist jedenfalls ein klarer Erfolg für die vatikanische Diplomatie. Bereits vor zweieinhalb Jahren hatte der Heilige Stuhl diplomatische Beziehungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten geknüpft und damit Kontakte in einen bislang verschlossenen Bereich hinein aufgenommen. Und seit Monaten munkelt man, auch mit Vietnam zeichne sich eine diplomatische Normalisierung ab. Kommenden Freitag wird Staatspräsident Nguyen Minh Triet im Vatikan erwartet. Vielleicht bringt auch dieser Besuch eine Überraschung.