Russland und der Vatikan - Ein besonderes Verhältnis

Fast freundliche Normalität

Seit 1989 die Vatikan-Visite des Perestojka-Vaters Gorbatschow das Eis brach, haben sich die Beziehungen zwischen Rom und Moskau stetig verbessert. Gorbatschow und Ehefrau Raissa kamen mehrfach in den Vatikan, zwischen ihnen und Johannes Paul II. entwickelte sich eine Freundschaft. Auch Nachfolger Boris Jelzin kam zwei Mal zum Papst - 1991 und 1998 - auch wenn die Begegnungen etwas kühler wirkten.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Wladimir Putin reiste sogar dreimal in den Apostolischen Palast, zuletzt 2007. Alle Spitzenbegegnungen verliefen freundlich und konstruktiv und galten den großen Fragen der Menschheit, den internationalen Krisenherden, der Bedrohung durch Extremismen und der Notwendigkeit gewaltfreier Konfliktlösungen.

Der Besuch von Medwedew signalisiert die Fortsetzung dieser gereiften Kontakte und der Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Ob jedoch eine Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen unmittelbar bevorsteht, gilt als eher unwahrscheinlich. Grund für die niederrangigen Beziehungen sind das Selbstverständnis und die besondere Stellung der russischen Orthodoxie. Sie versteht sich nach ostkirchlichem Rechtsempfinden in Russland als Staatskirche. Politik und Regierung versuchen diesem besonderen Verhältnis und Anspruch Rechnung zu tragen.

Zwar haben sich in den vergangenen Jahren die Beziehungen zwischen Vatikan und Moskauer Patriarchat erheblich verbessert. Die «Zwischeneiszeit» nach der Errichtung von vier katholischen Diözesen auf russischem Territorium im Jahr 2002 ist längst überwunden. Vor allem der vatikanische Ökumene-Minister Kardinal Walter Kasper hat sich mit Erfolg für ein besseres zwischenkirchliches Klima eingesetzt. Jedoch versteht sich die russische Orthodoxie weiterhin als vorrangiger christlicher Ansprechpartner des Staates. Und damit vertragen sich offenbar eigenständige Beziehungen des Staates zum Vatikan und damit auch zu einer anderen Kirche noch nicht.

Mit Spannung wird man daher beobachten, ob Medwedew den Papst zu einem Besuch nach Russland einladen wird. Gorbatschow und Jelzin taten dies bei ihren Vatikan-Audienzen, Putin nicht - offenbar nach Abstimmung mit dem Moskauer Patriarchat. Johannes Paul II. war sehr an einer Russland-Visite interessiert. 2003 wollte er im zentralrussischen Kazan einen Zwischenstop einlegen, um eine historische Ikone zurückzugeben. Die Idee scheiterte am Moskauer Patriarchat, das die ökumenischen Voraussetzungen dazu als noch nicht gegeben ansah.

Unter Benedikt XVI. wird die Frage einer Russland-Reise vom Vatikan nicht thematisiert. Selbst ein Treffen des Papstes mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill an neutraler Stätte - etwa in Ungarn, Österreich oder in der süditalienischen Nikolaus-Stadt Bari - scheint in weiter Ferne. Daher wäre eine Einladung Medwedews an den Papst eher eine höfliche, aber unerfüllbare Geste. Alles andere wäre eine
(ökumenische) Sensation.