Ratzingers Habilitationsschrift nach 53 Jahren publiziert - Überbringer Bischof Müller im domradio-Interview

"Drama der Habilitation"

Nach mehr als 50 Jahren hält Papst Benedikt XVI. die Urfassung seiner Habilitationsschrift gedruckt in Händen: Am Sonntag überreichte der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller dem Papst in Castelgandolfo den gut 900 Seiten starken zweiten Band der "Gesammelten Schriften" Joseph Ratzingers/Benedikts XVI. Er umfasst die seinerzeit nur im Fragment erschienene Habilitationsstudie über den heiligen Bonaventura in voller Länge.

Autor/in:
Thomas Jansen
In jungen Jahren: Prof. Joseph Ratzinger (KNA)
In jungen Jahren: Prof. Joseph Ratzinger / ( KNA )

Ebenfalls aus der Hand Müllers erhält der Bruder des Papstes, Georg Ratzinger, am Montag in Regensburg sein Exemplar. Ihm hat Benedikt XVI. zu dessen 85. Geburtstag die Ausgabe «in Dankbarkeit für die Weg- und Denkgemeinschaft eines ganzen Lebens» gewidmet.

Joseph Ratzinger selbst sprach im Rückblick auf seine damalige Arbeit einmal vom «Drama der Habilitation». Nachdem der hoch angesehene Münchener Dogmatiker Michael Schmaus (1897-1993) als Zweitgutachter das Skript wegen eines «gefährlichen Modernismus» abgelehnt hatte, stand die akademische Karriere Ratzingers 1956 kurz vor dem Scheitern. Schließlich reichte er den von Schmaus unbeanstandeten Schlussteil der Untersuchung ein. Am 21. Februar 1957 wurde Ratzinger im Fach Fundamentaltheologie an der Universität München habilitiert.

Müller, der auch Herausgeber der Gesammelten Schriften ist, betonte zu der Veröffentlichung, Joseph Ratzinger habe mit seiner Arbeit über Bonaventura entscheidend neue Aspekte des Verständnisses von Kirche und Offenbarung vorgelegt. Das Regensburger «Institut Papst Benedikt XVI.» veranstaltete am Wochenende im italienischen Bagnoregio ein wissenschaftliches Kolloquium zum Thema «Offenbarung und Heilsgeschichte». Die Tagung im Geburtsort des heiligen Bonaventura befasste sich mit Ratzingers Bonaventura-Studien unter theologiegeschichtlichen und systematischen Aspekten.

Der Franziskaner Bonaventura (vor 1221-1274) war zusammen mit Thomas von Aquin Professor der Theologie am Pariser Institut für arme Theologiestudenten, aus der sich die berühmte Universität «Sorbonne» entwickelte. Er war einer der bedeutendsten Verteidiger der damals entstehenden Bettelorden. Wie Albertus Magnus und Thomas von Aquin suchte auch er Vernunft und Glauben miteinander in Einklang zu bringen.