Papst: Kritisches Wiedersehen mit seiner Habilitation

Fundierte Antworten

Papst Benedikt XVI. hat das Wiederlesen seiner über 50 Jahre alten Habilitationsschrift nach eigenem Bekunden als "aufregende Sache" erlebt. Dennoch sei er sich bewusst, dass es sich nur noch um einen historischen Text handele, der in vielen Einzelheiten überholt sei, bekannte das Kirchenoberhaupt in seinem Vorwort zur ersten vollständigen Ausgabe seiner damals nur in Teilen eingereichten Habilitation.

In jungen Jahren: Prof. Joseph Ratzinger (KNA)
In jungen Jahren: Prof. Joseph Ratzinger / ( KNA )

Die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" druckte die Einführung am Mittwoch in voller Länge ab. Benedikt XVI. räumte ein, sein Werk über den mittelalterlichen Theologen Bonaventura (1221-1274) habe im Vergleich mit heutigen sprachwissenschaftlichen Untersuchungsmöglichkeiten "seine Grenzen". Auch Fragestellung und Sprache des Buchs seien deutlich "von der Situation der 50er Jahre geprägt". "Dennoch habe ich beim Wiederlesen den Eindruck gewonnen, dass seine Antworten fundiert sind", so der Papst.

Die Untersuchung über "Offenbarungsverständnis und Geschichtstheologie Bonaventuras" wurde jetzt erstmals im Rahmen der "Gesammelten Schriften" Joseph Ratzingers publiziert. Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller überreichte sie Benedikt XVI. am Sonntag in Castelgandolfo. Seit Montag ist der beim Freiburger Verlag Herder erschienene zweite Band der Werkausgabe im Buchhandel. Benedikt XVI. widmete die Ausgabe seinen Bruder Georg Ratzinger "in Dankbarkeit für die Weg- und Denkgemeinschaft eines ganzen Lebens".

Die ursprüngliche Fassung der Habilitationsschrift war seinerzeit von dem hoch angesehenen Münchener Dogmatiker Michael Schmaus (1897-1993) wegen eines "gefährlichen Modernismus" abgelehnt worden. Das Urteil brachte die akademische Karriere Ratzingers 1956 an den Rand des Scheiterns. Schließlich reichte er nur den von Schmaus nicht beanstandeten Schlussteil der Untersuchung ein und wurde am 21. Februar 1957 im Fach Fundamentaltheologie an der Universität München habilitiert.