In Nazareth begrüßen die arabischen Christen Israels den Papst

"Willkommen zu Hause"

Es ist ein Schauplatz widersprüchlicher Begebenheiten. Genau an der Stelle, an der eine aufgebrachte Menge vor 2.000 Jahren Jesus aus Nazareth vertreiben und einen Abhang hinabstürzen wollte, feierte Papst Benedikt VI. die größte Messe seiner Nahostreise. Am "Berg des Absturzes", bislang ein Brachgelände, traf das Kirchenoberhaupt am Donnerstag bei sengender Sonne mit seinen Gläubigen zusammen - und 50.000 Christen bereiteten ihm einen begeisterten Empfang.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

«Willkommen zu Hause», stand auf einem großen Transparent am Eingang der Stadt, in der Jesus seine «verborgenen Jahre» verbrachte. Wo er 30 Jahre lang als Sohn des Zimmermanns Josef und dessen Frau Maria lebte. Und wohin er später zurückkehrte, von seinen Landsleuten aber nicht verstanden wurde. Heute war der Beifall in Nazareth für den Papst fast überschwänglich.

Es war ein Kontrast zur Messe von vor zwei Tagen in Jerusalem. Waren dorthin gerade einmal 3.000 Menschen gekommen, darunter nur ein Bruchteil aus Jerusalem, so strömten jetzt vor allem die einheimischen, die arabischen Christen Nordisraels zum Papsttreffen. Der Andrang auf die Einlasskarten war enorm. Eine internationale geistliche Gemeinschaft wollte gleich mehrere Tausend Karten ordern.

Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen fuhr Benedikt XVI. im schusssicheren Papamobil am «Berg des Absturzes» vor. Dessen neu geschaffene Infrastruktur soll künftig für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden. Sprechchöre auf Italienisch und Arabisch hießen den Papst willkommen. Gesänge in der Landessprache, teilweise mit melodischen Anleihen bei Taize oder Weltjugendtagen, gestalteten den Gottesdienst.

Schon in einem langem Vorprogramm hatten sich die Menschen auf den Empfang für den Papst eingestimmt. Bereits um 20 Uhr am Vorabend hatte die israelische Polizei die Zugänge für die akribischen Kontrollen geöffnet. Zahlreiche Familien verbrachten die Nacht auf dem Gelände.

Benedikt XVI. war dankbar für den herzlichen Empfang. «Ich hoffe, dass diese Etappe meiner Pilgerreise die Aufmerksamkeit der ganzen Kirche auf Nazareth zieht», sagte er bei der Messe, mit der er zugleich das nationale «Jahr der Familie» beendete. Der «Berg des Absturzes» erinnere daran, dass die Heilsgeschichte mitunter auf Widerspruch und Konflikte stoße.

Sofort zog der Papst aber den Bogen zur Gegenwart. Erst in den letzten Jahren sei es zu Konflikten zwischen Christen und Muslimen in der Stadt mit der größten Christengemeinde Israels gekommen, erinnerte Benedikt XVI. Er deutete damit die Polemik um das Projekt einer Großmoschee genau vor der christlichen Verkündigungsbasilika an.

Der Plan war nach internationalen Protesten, auch aus dem Vatikan, von den israelischen Behörden auf Eis gelegt worden. Das letzte Wort sei aber noch nicht gesprochen, wird befürchtet - und das sorgt weiterhin für Nervosität. Der Papst appellierte an beide Seiten, den Schaden zu reparieren und Brücken zu einer friedlichen Koexistenz zu bauen.

Trotz dieser aktuellen Probleme war es ein freudiges Fest des Papstes mit den Christen im Heiligen Land. Zwar ist deren Situation in Nordisrael leichter als in Jerusalem und im Westjordanland. Aber da die allermeisten von ihnen Araber sind, stehen sie vor den gleichen Problemen wie ihre islamischen Landsleute im jüdischen Staat.

Die Christen von Nazareth waren dem Papst dankbar. «Ich erwarte mir, dass der Besuch zum Frieden beiträgt. Wir wollen nur Frieden», meint eine 21-jährige Studentin, die den Papst schon beim vergangenen Weltjugendtag in Sydney erlebt hatte.

Auch Benedikt XVI. wollte, dass sein Besuch in Nazareth Folgen über den Tag hinaus habe. Zum Abschluss der Messe segnete er die Grundsteine für den Bau von fünf kirchlichen Schulen und Sozialeinrichtungen in der Region. Eine materielle Hilfe - und nicht weniger ein Symbol, dass die Christen in der Region eine Zukunft haben müssen.

Kinder vor Fanatismus schützen
Alle Religionen sind laut Papst Benedikt XVI.
verpflichtet, Kinder vor Fanatismus und Gewalt zu schützen. Bei einem Treffen mit religiösen Führern aus Galiläa betonte das Kirchenoberhaupt am Donnerstag, die verschiedenen religiösen Traditionen hätten ein «mächtiges Potenzial, um eine Kultur des Friedens zu fördern». Es sei ihre Aufgabe, die «tieferen spirituellen Werte unseres gemeinsamen Menschseins» zu lehren. Mit der interreligiösen Begegnung in Nazareth endete der vorletzte Besuchstag des Papstes in Nahost.

«Christen verbinden sich bereitwillig mit Juden, Muslimen, Drusen und Menschen anderer Religionen im Wunsch, Kinder vor Fanatismus und Gewalt zu schützen, wenn sie sie zu Gestaltern einer besseren Welt erziehen», sagte der Papst. Im Zentrum der religiösen Traditionen stehe die Überzeugung, dass der Frieden selbst ein Geschenk Gottes sei, auch wenn er nicht ohne menschliche Anstrengungen erlangt werden könne. Jeder Mensch sei aufgerufen, sein Handeln an den «leisen, nichtsdestoweniger wahrnehmbaren Gesetzen, die vom Schöpfer dem Universum eingeschrieben sind», auszurichten.

Der Respekt zwischen Glaubensgemeinschaften müsse sich auch konkret im Umgang mit den Gebetstätten zeigen, forderte der Papst und mahnte zu einem Abbau von Spannungen. In Nazareth haben Pläne islamischer Fundamentalisten zum Bau einer großen Moschee neben der Verkündigungsbasilika zu Spannungen zwischen Christen und Muslimen geführt.

Nach der Rede des Papstes ging das interreligiöse Treffen auf ungewöhnliche Weise zu Ende. Zum Abschluss der Begegnung mit christlichen Oberhäuptern sowie jüdischen, muslimischen und drusischen Repräsentanten stimmte ein Rabbiner ein Lied an, dessen Text aus den Worten «Salam - Schalom, Herr, gib uns Frieden» bestand. Darauf erhoben sich Benedikt XVI. und die übrigen Geistlichen, fassten sich an den Händen und sangen mit.