ZMD-Vorsitzender Mazyek zur Diskussion um Weihnachtsmärkte

"Peinliche Debatte"

Weihnachtsmarkt oder doch Lichtermarkt? Alle Jahre wieder keimt die Debatte auf, ob die Namensgebung die Gefühle anderer verletzt. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, findet die Diskussion peinlich.

Vielerorts sind die "Weihnachtsmärkte" eröffnet / © Britta Pedersen (dpa)
Vielerorts sind die "Weihnachtsmärkte" eröffnet / © Britta Pedersen ( dpa )

domradio.de: Stört es Sie persönlich, wenn Sie jetzt überall auf Advents- und Weihnachtsmärkte stoßen?

Aiman Mazyek (Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland): Nein, das stört mich überhaupt nicht. Im Gegenteil. Das erinnert auch uns Muslime an Jesus, der ja als Prophet eine ehrenhafte Position innerhalb des Islams innehat. Die Geburt, seine Geschichte. Seiner Mutter ist ein ganzer Koran-Abschnitt gewidmet. Maria ist eine große Persönlichkeit im Islam. Das sind alles Dinge, mit denen wir auch, was diesen religiösen Bezug angeht, etwas anfangen können. Aber was uns natürlich stört, ist, dass wir mutmaßlich als Projektion für eine Diskussion herhalten müssen, die ganz woanders verortet ist.

domradio.de: Wie schätzen Sie das denn ein, wenn manche Leute jetzt wieder fordern, Weihnachts- in Winter- oder Lichtermärkte umzubenennen? Was steckt dahinter?

Mazyek: Das ist eine peinliche Diskussion. Der christliche Bezug zu Weihnachten ist unübersehbar und klar. Dass das für manche in unserem Land auch so etwas wie ein Familien- oder Volksfest ist, sei dahin gestellt. Aber dass man die Muslime sozusagen als Steigbügelhalter und als Argumentationsfolie benutzt, um solche Sachen zu ändern, ist nicht in Ordnung. Sie kennen die Diskussion über den Martinszug. Ich habe seinerzeit immer wieder darauf hingewiesen, dass Sankt Martin ein Mann war, der geteilt hat. Das ist eine Wertvorstellung, die wir mit Christen teilen. Die Erinnerung an diese Gegebenheit und das, was uns selbst als muslimische Bürger in Kindergärten oder Schulen verbindet, ist etwas Positives. Warum müssen wir das denn ändern? Das war die gleiche Argumentation unter Bezugnahme auf die Gefühle der Muslime, die zu achten oder beachten sind. Wir haben uns damals empört darüber gezeigt, dass man uns da zu solchen Diskussionen vereinnahmt.

domradio.de: Also so etwas wie falsch verstandene politische Korrektheit?

Mazyek: Das kann sein, dass das falsch verstanden wurde. Vielleicht hat der ein oder andere das wohlwollend gemeint, aber ich denke, dass wir hier eher die Steigbügelfunktion einnehmen. Und das werden wir nicht tun, das werden wir von uns weisen.

domradio.de: Wäre es nicht gut und hilfreich, wenn diese Leute, die die Weihnachtsmärkte umbenennen wollen, nicht erst einmal mit den Muslimen sprechen sollten, bevor sie mit solchen Vorschlägen vorpreschen? Anders gefragt: Würden Sie nicht einfach einmal gerne vorher gefragt werden?

Mazyek: Natürlich ist das eine Möglichkeit. Oder man befasst sich tatsächlich mit der muslimischen Vorstellung von Jesus Christus oder Maria. Ich habe das zum Beispiel in meinem Buch "Was machen Muslime eigentlich an Weihnachten?" gemacht. Da komme ich eben nicht zu dem Schluss, dass man alles abschaffen muss - also semantisch und auch wortwörtlich. Sondern dass man vielmehr die Zusammenhänge, die vielen Schnittmengen und die Gemeinsamkeiten erkennen muss. Deswegen hat natürlich der Muslim eine Hochachtung vor dieser Gegebenheit und kommt nicht auf die Idee, irgendwelche Namensänderungen vorzunehmen.

domradio.de: Sie haben gerade ihr Buch erwähnt: "Was machen Muslime an Weihnachten?" - islamischer Glaube und Alltag in Deutschland. Ganz knapp auf den Punkt: Was machen denn jetzt Muslime wirklich an Weihnachten?

Mazyek: Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin eher bi-kulturell sozialisiert, ich hab auch christliche Familien in meinem Umfeld. Ich bin zu Weihnachten und zu Ramadan auch beschenkt worden. Das ist natürlich eine Luxussituation. Darüber schreibe ich unter anderem. Das ist aber nicht der Hauptschwerpunkt. Viele machen das, was auch andere tun. Es ist eine Zeit der Besinnung. Eine Möglichkeit, sich auf das neue Jahr vorzubereiten, ein bisschen durchzuatmen und auch die Bezüge herzustellen, worum es da religiös eigentlich geht. Die Familie kommt zusammen, man hat die Möglichkeit, sich zu sehen. Das sind auch Dinge, die in der muslimischen Community stattfinden und manch einer hat auch die ein oder andere Seminarveranstaltung in diesen Tagen und nutzt die Zeit dafür aus.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime / © Alexander Heinl (dpa)
Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime / © Alexander Heinl ( dpa )
Quelle:
DR