Wie das Portal kath.ch (Sonntag) berichtet, sei das Vorbild die Sankt Gallener Stadtheilige Wiborada aus dem 10. Jahrhundert, die zehn Jahre eingeschlossen lebte, aber dennoch eine bedeutende Ratgeberin war.
Bis 3. Juli nehmen weitere zwei Frauen und sieben Männer zwischen 33 und 86 Jahren am ökumenischen "Projekt Wiborada 2021" teil. Am historischen Ort wollen sie demnach ein Leben in Stille, Meditation und Gebet üben.
Heilig und trotzdem wenig bekannt
Die als sogenannte Inklusin oder Rekluse eingemauerte Heilige, die sehr gebildet war, wurde auch von hohen politischen und geistlichen Würdenträgern um Rat gefragt. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt. Sie starb wahrscheinlich am 1. Mai 926 in ihrer Zelle bei einem Überfall der Ungarn auf Sankt Gallen. Laut Legende soll sie geholfen haben, den Klosterschatz und die Stiftsbibliothek zu retten. 1047 wurde sie von Papst Clemens II. als Märtyrerin heiliggesprochen.
"Was für eine geniale Frauengeschichte. Und dennoch ist Wiborada bei uns eigentlich wenig bekannt", sagte die erste "Inklusin" Hildegard Aepli. "Wir haben mit ihr ein Erbe in dieser Stadt, in diesem Kanton und für beide Kirchen", so die Mitinitiatorin. Am Samstag wird sie wieder feierlich in die Freiheit entlassen - und die nächste Person eingesperrt.
Zwei Stunden offenes Fenster
Jeden Morgen wird dem Eingeschlossenen ein Kanister Wasser und ein Brot, später eine warme Mahlzeit gebracht. Mittags und abends öffnet er für je eine Stunde das Fenster zur Welt. Dann haben Außenstehende Gelegenheit, mit Fragen vorbeizukommen. Ebenso gibt es ein Fenster zur Kirche, um es etwa bei Gottesdiensten oder Konzerten zu öffnen. Laptop oder Handy gibt es in der Zelle indes nicht.
Für den Theologen Benjamin Ackermann steht Wiborada für die "Zeichen der Zeit": Die Themen Einsamkeit, Isolation und räumliche Begrenzung hätten wegen Corona Konjunktur. "Alle sind von räumlichen Einschränkungen und vom Verlust von Freiheit betroffen."