Superintendentin über Präses-Wahl und Rollenverständnisse

Zeit für eine Frau?

Am Montag beginnt die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland. Auf dem Programm steht die Corona-Krise und die Wahl eines Nachfolgers für Präses Manfred Rekowski. Eine der Bewerberinnen ist Almut van Niekerk.

Die Theologin Almut van Niekerk stellt sich zur Wahl für die Nachfolge von Präses Rekowski / © Meike Boeschemeyer (epd)
Die Theologin Almut van Niekerk stellt sich zur Wahl für die Nachfolge von Präses Rekowski / © Meike Boeschemeyer ( epd )

DOMRADIO.DE: Was wird bei der Synode anders sein?

Almut van Niekerk (Superintendentin des Kirchenkreises An Sieg und Rhein): Vieles wird gleich sein. Wir beginnen mit einem Abendmahls-Gottesdienst. Aber weil eben Corona- Pandemie ist, werden nur wenige in der Johanneskirche in Düsseldorf den Eröffnungsgottesdienst miteinander feiern.

Die meisten Delegierten werden zu Hause an ihrem Schreibtisch vor dem Bildschirm mitfeiern, haben aber vor Weihnachten ein Päckchen bekommen, in dem des Abendmahlsgeschirr drin ist, sodass es doch eine große Verbundenheit über die Gemeinden und Kirchenkreise hinweg geben wird. Da bin ich eigentlich mit diesem Modell sehr, sehr glücklich.

DOMRADIO.DE: Wie klappt denn die Seelsorge auf Abstand und digital aktuell in den Gemeinden?

van Niekerk: In meiner Wahrnehmung klappt es sogar noch stärker und in einer gewissen Weise inniger als vorher. Vielleicht sind alle ein bisschen sensibler dafür geworden, wie sehr sie die Nähe, das Miteinander-Reden und das Sich-Mal-Sehen brauchen. Das geht dann auch durchs Küchenfenster oder an der Haustür mit Abstand. Aber so viele Besuche wie die Pfarrerinnen und Pfarrer auf Abstand machen, das ist, glaube ich, viel mehr als früher.

DOMRADIO.DE: Erinnern Sie sich an eine besondere Geschichte, die Sie in der Zeit erlebt haben?

van Niekerk: Ja, das war ein Telefonbesuch, den ich kurz vor Weihnachten bei Menschen gemacht habe, die ich schon sehr lange kenne, die ich aber jetzt auch durch Corona seit Monaten nicht mehr im Gottesdienst sehen konnte. Dann habe ich angerufen und einfach gefragt, wie es geht.

Es war genau der Moment, kurz nachdem es eine sehr schreckliche Krankheitsdiagnose gegeben hatte. Es ist schon sehr bewegend, mit welcher Vertrautheit die Menschen dann ihre Geschichte weitererzählen. Die kennen mich und dann wird an diese Vertrautheit angeknüpft. Das fand ich sehr bewegend.

DOMRADIO.DE: Glauben Sie, das Modell der "aufsuchenden Kirche" wird auch in Zukunft weiter ausgebaut?

van Niekerk: Auf jeden Fall. Das funktioniert einfach wunderbar. Gerade wir Evangelischen fremdeln immer ein bisschen und achten drauf, dass alles nicht so missionarisch übergriffig rüberkommt. Den Eindruck wollen wir gar nicht erwecken. Deshalb sind wir vielleicht zu zögerlich und zurückhaltend geworden und haben eher gesagt: "Nee, also wenn ihr Lust habt, dann kommt doch zu uns. Hier ist es schön und der Chor singt auch gut."

Wenn jetzt so ein Posaunenchor vor dem Altenheim steht, seine Probe da öffentlich abhält und so umwerfend gut ist, dann begeistert das einfach mehr Leute. Das inspiriert vielleicht auch manche dazu, zu sagen: Och, ich habe da auch noch so eine Trompete und kann da auch mitmachen.

DOMRADIO.DE: Sie stellen sich auf der Synode zur Wahl als Präses. Was würden Sie sagen, sind Ihre persönlichen Themen?

van Niekerk: Mir liegt sehr daran, dass die Stimme der jungen Leute, der Kinder, Jugendlichen, aber auch der jungen Erwachsenen laut und vernehmlich zu hören ist. Ich bin auch gerne bereit, für die den Lautsprecher für die zu machen.

DOMRADIO.DE: Sie sind aktuell Pfarrerin in Sankt Augustin, seit 2016 Superintendenten des Kirchenkreises "An Sieg und Rhein". Sind Sie ein Karrieremensch?

van Niekerk: Neulich sagte jemand über mich: "eine Frau mit Ambitionen“. Dann sagte ich: "Ja, keine Ambitionen zu haben, ist auch nix." Ich habe das Gefühl: Wie eine Frau es macht, ist es auf jeden Fall falsch. Entweder ist sie karrieresüchtig oder farblos.

Ich würde sagen, ich habe Ideen. Ich habe Ziele. Ich habe Gestaltungswillen. Und ich habe Energie.

DOMRADIO.DE: Auf dem Posten, um den Sie sich da bemühen, gab bisher keine Frau, deswegen ist es ein Thema. Nervt Sie das?

van Niekerk: Ehrlich gesagt, ja. Das appelliert so an unbewusste Rollenbilder. Bei der Frage, ob eine Frau dieses Amt anders ausüben würde, spielen einfach bestimmte Bilder eine Rolle, die positiv oder negativ besetzt sind. Dann kommen die Komparative: Ist sie emotionaler? Oder kommunikativer? Oder empathischer? Das ist davon abhängig, was für ein Bild von Frauen oder eben auch von Männern hat.

Das ist in der Tat erstaunlich. Ich bewege mich da offener zwischen diesen Rollenbildern. Ich habe vier Männer als Stellvertreter. Wir sind also zu fünft in der Leitung des Kirchenkreises. In der Leitung des Diakonischen Werkes sind wir auch fünf. Vier Männer und ich. Ich kenne diese Kontexte und habe nicht das Gefühl, dass das irgendwie einen großen Unterschied macht. Es gibt weder einen Vorteil noch ein Nachteil. Ich genieße es unglaublich, wenn es verschiedene Kompetenzen gibt.

DOMRADIO.DE: Neu ist, dass Ihre Mitbewerber komplett von außen kommen. Wie bewerten Sie das?

van Niekerk: Es ist nicht ganz neu. Wir hatten auch bei der letzten Synode eine Bewerberin von "außen", wenn man das so sagen wollte. Sie kam auch aus den Weiten der evangelischen Kirche in Deutschland. Aber wir haben in der rheinischen Landeskirche schon sehr bemüht, ein bisschen professioneller in unseren Ausschreibungsverfahren zu sein. Es war vollkommen selbstverständlich, dass es eine deutschlandweite Ausschreibung gibt, dass wir in der "Zeit" ein Inserat geschaltet haben oder dass es schon im April die Bewerbungsfrist gab.

Dann folgte ein internes Bewerbungsverfahren mit einem schriftlichen Bewerbungsvortrag, mit einer Andacht, mit einem weiteren Vortrag vor dem Nominierungsausschuss, dann die Aufzeichnung des Gottesdienstes zum 1. Advent und einem Interview. Da sind schon viele Arbeitsproben abgeliefert worden, die auch zugänglich sind.

Das war für alle neu und gar nicht Corona geschuldet. Es gehört jetzt zum Standard dazu, dass zwei Angehörige anderer Landeskirchen nominiert wurden. Da hat der Nominierungsausschuss einfach seinen Job gemacht.

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie der evangelischen Kirche im Rheinland?

van Niekerk: Ich wünsche ihr, dass sie alle Verzagtheit wegschiebt und mutig weitergeht. Diese Kirche ist toll. Es gibt unglaublich viel an ihr zu entdecken. Es gibt tolle Menschen, die sich darin engagieren.

Deswegen bin ich sehr zuversichtlich und wünsche ihr, dass sie das ebenfalls ist. Ich würde da gerne dran mitwirken.

Das Gespräch führte Verena Tröster.


Manfred Rekowski / © Erika Rebmann (KNA)
Manfred Rekowski / © Erika Rebmann ( KNA )
Quelle:
DR