EKD-Synode befasst sich auch mit Thema Missbrauch

Betroffene wollen mehr Hilfen

Wie die katholische ist auch die evangelische Kirche dabei, Missbrauchsfälle aufzuarbeiten. Bei der Synode in Dresden, die an diesem Sonntag beginnt, spricht erstmals eine Betroffene vor der Versammlung.

Autor/in:
Birgit Wilke
Ein Moment der Stille auf der EKD-Synode / © Norbert Neetz (epd)
Ein Moment der Stille auf der EKD-Synode / © Norbert Neetz ( epd )

Die Journalistin Kerstin Claus war 14 Jahre alt, als sie sich in einer schwierigen familiären Situation an ihren evangelischen Pfarrer wandte. Er versprach, sich zu kümmern. Was er damit verband, war ihr damals nicht klar, wie Claus heute berichtet: Zwar habe er dafür gesorgt, dass sie in ein evangelisches Internat kam. Zugleich habe der Pfarrer sie bedrängt, sei sexuell übergriffig geworden und habe sie missbraucht, bis sie 17 war. Erst Jahre später, als sie selbst Kinder hatte, konnte sie über das Erlebte sprechen.

Zwischenbilanz der Missbrauchsaufarbeitung

Eine wirkliche Unterstützung von der bayerischen Landeskirche, an die sie sich 2003 erstmals gewandt habe, habe sie nicht erhalten, erzählt Claus. Erst 2010 nahm die Staatsanwaltschaft Passau Ermittlungen auf. Da war der Fall bereits verjährt. Heute sitzt sie im Betroffenenrat beim Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung und engagiert sich für eine bessere Aufarbeitung und mehr Hilfen. Ihre Geschichte erzählte sie im vergangenen Jahr bei einer Anhörung über Missbrauch in den Kirchen in Berlin. Erstmals spricht sie in der kommenden Woche bei der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Dresden.

Denn wie bei der Vollversammlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz im vergangenen September steht auch bei dem evangelischen Kirchenparlament das Thema Missbrauch auf der Tagesordnung. Nachdem sich die Synode erstmals im vergangenen Jahr intensiv damit befasste und mit Blick auf Aufarbeitung und Prävention Konsequenzen beschloss, soll es nun eine Zwischenbilanz geben.

Einrichtung eines Betroffenenbeirats

So gibt es seit dem vergangenen Jahr einen Beauftragtenrat der EKD, dem die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs angehört. Die Gründung eines Betroffenenbeirats ist in Planung. Zudem gibt es seit 1. Juli die "Zentrale Anlaufstelle.help", an die sich Betroffene wenden können. Auch wurde eine Ausschreibung für eine wissenschaftliche Studie veröffentlicht. Wie die katholische Kirche ist die EKD in Gesprächen mit dem Missbrauchsbeauftragten Johannes-Wilhelm Rörig über eine Vereinbarung zu Standards zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen.

Vielen Betroffenen geht das nicht weit genug, und sie üben Kritik an den beschlossenen Maßnahmen: So würden sie bei der Anlaufstelle lediglich an die Landeskirchen vermittelt, konkrete Hilfe erhielten sie nicht. Zudem bedauern sie, dass erst einmal keine Dunkelfeldstudie über Missbrauchsfälle geplant ist, weil der Aufwand dafür nach Einschätzung der EKD zu groß ist.

Diskussion über die Höhe der Entschädigung

Anders als Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche sind Betroffene in der evangelischen Kirche noch kaum vernetzt. Viele wünschen sich deshalb eine logistische Hilfe seitens der Kirche. Sie möchten zudem eine Diskussion über die Höhe der Entschädigung, wie es sie bei den katholischen Bischöfe gab. Diesen lag ein von einer Arbeitsgruppe erarbeitetes Empfehlungsschreiben vor, das unter anderem pauschale Entschädigungen von 300.000 Euro pro Fall vorsieht. Auch wenn seitens der katholischen Bischöfe noch keine Entscheidung über die Höhe der Entschädigung gefallen ist, bezeichnen Betroffene die darüber geführte Diskussion als beispielhaft.

Bereits im Vorfeld äußerte sich die EKD skeptisch über eine solche Entschädigungshöhe. Hinter vorgehaltener Hand ist sogar von Entsetzen die Rede, das die Zahlen bei einigen Kirchenvertretern auslösten. Das System der bisherigen, differenzierten Unterstützungs- und Anerkennungsleistungen - in der Regel im vierstelligen Bereich - habe sich aus evangelischer Sicht bewährt. Allerdings, so meinte die Vorsitzende des Kirchenparlaments, Präses Irmgard Schwaetzer, würde sie es begrüßen, wenn es künftig einheitlichere Leistungen bei den Landeskirchen gebe.

Zur Synode wird neben Claus und Rörig auch die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) erwartet, die inzwischen in der unabhängigen Aufarbeitungskommission sitzt. Bergmann war dabei, als Claus im vergangenen Jahr ihre Geschichte bei der Anhörung erzählte. Nur durch eine Anerkennung der Schuld, die klare Übernahme von Verantwortung und eine konsequente Aufarbeitung könne die Kirche Vertrauen zurückgewinnen, sagt Bergmann damals.


Quelle:
KNA