Warum der Nikolaustag nun ein evangelischer Gedenktag ist

Vorbilder im Glauben

Vielfach wird der heilige Nikolaus vom Weihnachtsmann verdrängt. Doch gibt es inzwischen von kirchlicher Seite eine Art Gegenbewegung. Und sogar die evangelische Kirche macht mit. Aber warum?

Garderobe für Sankt Nikolaus / © Katharina Ebel (KNA)
Garderobe für Sankt Nikolaus / © Katharina Ebel ( KNA )

DOMRADIO.DE: In der evangelischen Kirche ist der Nikolaustag seit diesem Jahr ein offizieller Fest- und Gedenktag im Kirchenjahr. So teilte es die EKD vergangene Woche mit. Gibt es in der evangelischen Kirche überhaupt Heiligenverehrung?

Jan Hendrik Stens (Liturgie-Redakteur): Doch, die gibt es. Wer einmal ein evangelisches Gesangbuch aufschlägt, findet im hinteren Teil den liturgischen Kalender. Da sind neben den Sonntagen und wichtigen Festen im Jahr auch Gedenktage von Heiligen verzeichnet. Ich nenne mal einige: Stephanus am 26. Dezember, dann die Unschuldigen Kinder am 28. Dezember, die Geburt Johannes‘ des Täufers am 24. Juni, Peter und Paul am 29. Juni, das Erzengelfest am 29. September und – man lese und staune – auch Allerheiligen am 1. November als "Gedenktag der Heiligen".

DOMRADIO.DE: Gerade Allerheiligen gilt doch als genuin katholischer Feiertag. Wie kommt dieser Tag denn in den evangelischen Kalender?

Stens: Alle diese Heiligenfeste oder Gedenktage sind sehr alt und stammen aus vorreformatorischer Zeit. Abgeschafft wurden sie daher auch in der evangelischen Kirche nicht. Das gilt aber vor allem für das lutherische Bekenntnis, was man vor allem daran erkennt, wenn Kirchen, die vorher römisch-katholisch waren und in der Reformation das neue Bekenntnis angenommen, ihren Heiligennamen beibehalten haben. Vielfach heißen sie auch noch St. Nicolai oder St. Katharinen oder St. Petri. Die reformierte Tradition war da radikaler und wollte sich mehr von der Heiligenverehrung der Katholiken distanzieren.

DOMRADIO.DE:  Das heißt, Katholiken wie Protestanten verehren die Heiligen gleichermaßen?

Stens: Nicht ganz. Während wir Katholiken die Heiligen auch als Fürsprecher bei Gott anrufen, sind sie für einen protestantischen Christen lediglich Vorbilder im Glauben. Das ist der Unterschied.

DOMRADIO.DE:  Kommen wir mal auf den heutigen Tagesheiligen, den heiligen Nikolaus. Der taucht jetzt im liturgischen Kalender der Evangelischen Kirche in Deutschland auf. Welches Zeichen will man damit setzen?

Stens: Der Heilige erfreut sich sowohl in der katholischen als auch in der orthodoxen Kirche einer großen Beliebtheit. Im Protestantismus hat man sich im Zeitalter der Konfessionalisierung davon distanziert. Was bei den anderen beliebt ist, lehnt man selbst ab und umgekehrt. Daher trat im Protestantismus an die Stelle des schenkenden Nikolaus das Christkind, das die Menschen an Weihnachten selbst beschert. Ich denke mal, dass mit der Gefährdung des heiligen Nikolaus durch den Weihnachtsmann ein ökumenisches Bewusstsein geweckt worden ist, weshalb man sich in der EKD dazu entschlossen hat, nun auch den heiligen Nikolaus mit in den liturgischen Kalender aufzunehmen. Ähnlich ist es ja auch mit dem heiligen Martin am 11. November, der ebenfalls in den Kalender gekommen ist.

DOMRADIO.DE:  Wie wichtig ist denn der heilige Nikolaus in der katholischen Kirche?

Stens: Er hat in der Liturgie leider nicht den Stellenwert, den er im Brauchtum hat. Das liegt wohl in erster Linie daran, dass man historisch nur sehr wenig über ihn weiß. Deshalb ist der heutige Tag im liturgischen Rang auch nur ein "nicht gebotener Gedenktag", das heißt, man kann heute auch einfach die Liturgie vom Donnerstag der 1. Adventswoche feiern und den heiligen Nikolaus komplett ignorieren. Aber angesichts der Coca-Cola Konkurrenz durch den Weihnachtsmann würden wir uns als Kirche damit ins eigene Fleisch schneiden.


Quelle:
DR