Ökumenefest der Kirchen endet mit Aufruf zu mehr Gemeinsamkeit

"Von unten kommen"

Ein weiterer Höhepunkt des Reformationsjahres 2017 ist zu Ende gegangen. Mit einem Open-Air-Gottesdienst ist in Bochum ein ökumenisches Fest der beiden großen Kirchen geschlossen worden. Mitdiskutiert haben viele bekannte Gesichter der Ökumene.

Kardinal Marx und EKD-Ratsvorsitzender Bedford-Strohm beim Ökumenefest in Bochum / © Bernd Thissen (dpa)
Kardinal Marx und EKD-Ratsvorsitzender Bedford-Strohm beim Ökumenefest in Bochum / © Bernd Thissen ( dpa )

In einer Dialogpredigt betonten der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, den Willen, auf dem ökumenischen Weg weiter vorankommen zu wollen.

"Ich wünsche mir, dass wir uns gemeinsam einsetzen für eine Welt, in der alle Menschen in Würde leben können", sagte Bedford-Strohm. Das bedeute auch, "diejenigen in der Politik zu unterstützen, die an konkreten Schritten in die richtige Richtung arbeiten, anstatt die Politik pauschal abzukanzeln."

Das Gemeinwohl im Blick haben

Notwendig sei etwa ein stärkerer Kampf gegen Hunger. Oder weniger Rüstungsexporte. Zudem müsse der Klimawandel begrenzt werden. Zu den Opfer gehörten etwa Menschen in Tansania, die fast nichts zum CO2-Ausstoß beitragen, aber dennoch den Auswirkungen hilflos ausgeliefert seien. "Warum sollte es nicht bei jeder Regierungsentscheidung eine Eine-Welt-Verträglichkeitsprüfung geben", fragte der Geistliche.

Marx stimmte dem zu. Es könne nicht von Gott gesprochen werden, ohne von den Leidenden her zu denken. "Je frömmer wir werden, umso mehr gehen wir hinein in die Wunden der Welt."

Darüber hinaus warnte der Erzbischof von München und Freising vor Einzelinteressen und Eigenliebe in der Gesellschaft. Es gebe das Gemeinwohl, das Interesse aller Menschen, besonders der Armen. Der Kardinal bekundete zudem die Sorge, dass "alte Schablonen der nationalen Interessen" und damit wieder friedensgefährdende Spannungen belebt werden.

"Selbstbehauptungsbedürfnis"

Zum Auftakt des Festes hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert großes Unverständnis für die anhaltende Spaltung der Kirchen bekundet. Er könne "keinen einzigen relevanten Glaubensunterschied erkennen, der eine Wiederherstellung der Einheit verhindern könnte." Das unterschiedliche Amts- und Kirchenverständnis dürfe keine Trennung begründen.

"Liebe Leute, Kirchen- und Amtsverständnis, nicht Glaubensunterschiede - in welcher Welt leben wir eigentlich?", ruft er in den Saal. Viele Menschen teilten die Werte der Kirchen. Weil aber die Konfessionen nach Macht strebten, wachse eine Distanz zu den Kirchen als Institutionen. Ökumene könne nicht allein von den Kirchenleitungen erwartet werden, sondern müsse auch "von unten kommen", sagte er in Richtung der kirchenleitenden Geistlichen, darunter auch die Gastgeber, Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck und die westfälische Präses Annette Kurschus.

Lammert warf den Konfessionen ein "Selbstbehauptungsbedürfnis" vor und zeigte sich verärgert, dass nach wie vor kein gemeinsames Abendmahl von Katholiken und Protestanten erlaubt sei. "Nirgends ist Christen der verheißene Himmel näher auf Erden als im vom Christus gestifteten Abendmahl, zu dem Er einlädt, nicht die Kirchen", rief der Bundestagspräsident unter großen Beifall von rund 750 Zuhörern im RuhrCongress.

Neue Tonlage

Zugleich lobte Lammert "die völlig neue Tonlage im Umgang der Konfessionen miteinander" im laufenden Reformationsjahr. Dies unterscheide 2017 von allen anderen Reformationsjubiläen. Allerdings dürften sich die Kirchen in diesem angenehmen Zustand nicht einrichten. Der Begriff "versöhnte Verschiedenheit" als Ergebnis für die ökumenische Annäherung sei "eine verdeckte Kapitulationserklärung".

Marx bekundete Verständnis für Lammerts Ruf nach Einheit, warnte aber auch vor einem "überzogenen Zeitdruck" beim Bemühen, die Differenzen zu überwinden. Zugleich betonte der Kardinal, dass längst nicht mehr von "Kirchenspaltung" gesprochen werden könne. Die Konfessionen seien weit darüber hinaus, auch wenn sie noch nicht vollkommen übereinstimmten. Auch Bedford-Strohm widersprach Lammert. Unter der Formulierung "versöhnte Verschiedenheit" seien unter anderem reformierte und lutherische Christen zur evangelischen Kirche zusammengewachsen.

Gemeinsame Verantwortung

Die Präsidenten von Zentralkomitee und Kirchentag, Thomas Sternberg und Christina Aus der Au, verwiesen auf die gemeinsame Verantwortung der Christen vor allem im gesellschaftspolitischen Bereich. "Wir Christen lassen uns nicht auf den Himmel irgendwann vertrösten", sagte Aus der Au und spielt damit auf das Motto des Tages an: die Vaterunser-Bitte "Wie im Himmel so auf Erden". Christen wollten "die Erde hier und jetzt verändern". Ziel der Kirchen sei es, zu einer gerechteren und friedlicheren Welt beizutragen, ergänzte Sternberg.

Fremdenfeindlichkeit und Ängste thematisieren

Während eines Podiums forderten weitere Vertreter aus Kirche und Politik eine größere Auseinandersetzung mit Ängsten vor Fremden und globalen Veränderungen. Zwar habe es ablehnende Äußerungen gegenüber Ausländern immer gegeben, sagte der Präsident des Evangelischen Kirchentages 2019 in Dortmund, Journalist Hans Leyendecker, doch habe diese Form von Boshaftigkeit in einem vorher nicht bekannten Maße zugenommen, sagte er mit Hinblick auf eine Vielzahl von Anschlägen auf Flüchtlingsheime.

Ähnlich äußerte sich die türkischstämmige SPD-Politikerin Lale Akgün. "Die Tabubrüche werden sichtbarer", sagte die frühere Bundestagsabgeordnete und verwies auf jüngste Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland zur deutschen Geschichte. "Das macht Demokraten Angst." Gauland hatte zur Zeit von 1933 bis 1945 gesagt: "Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten." Es gebe das Recht, "stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen".

Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer rief dazu auf, die Ängste der Menschen vor Migrationsbewegungen ernst zu nehmen und mit ihnen darüber zu reden. Ansonsten gerieten sie in die Fänge von Populisten. Der Bevölkerung müsse darauf eingestellt werden, dass künftig trotz Türkei-Deal weiterhin Flüchtlinge nach Deutschland kommen und es hierzulande Veränderungen geben werde. "Wir können unseren jetzigen Wohlstand nicht halten", sagte der Geistliche.

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— Neues Ruhr-Wort (@NeuesW) 16. September 2017

Zu dem Fest hatten Bischofskonferenz, EKD, der Deutsche Evangelische Kirchentag und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) eingeladen. Auf dem Programm standen unter anderem Podiumsdiskussionen und musikalische Veranstaltungen.


Quelle:
KNA