Kurienkardinal Kasper fordert weitere Schritte zur Ökumene

"Worte und Gesten reichen nicht"

Zeichen der Ökumene finden sich überall, aber es gibt auch noch genug Arbeit. Das sagte Kardinal Walter Kasper beim "Weltfriedenstreffen" in Osnabrück. Mit Worten und Gesten sei es nicht getan, betont er gegenüber domradio.de.

Kardinal Kasper / © Cristian Gennari (KNA)
Kardinal Kasper / © Cristian Gennari ( KNA )

domradio.de: Wir sind 500 Jahre nach der Reformation und man hat den Eindruck, dass sich besonders in den letzten Jahren einiges im Bereich Ökumene bewegt hat. Papst Franziskus war bei der Eröffnung des Lutherjahres dabei, Protestanten sind inzwischen auch im Vatikan gerne gesehen.

Kardinal Walter Kasper (emeritierter Kurienkardinal und ehemaliger Ökumene-Beauftragter des Vatikan): Es hat sich sehr viel bewegt. Die Kirchen sind sich sehr nahe gekommen. Beigetragen hat natürlich der Besuch des Papstes in Lund, die gemeinsame Pilgerfahrt katholischer und evangelischer Bischöfe ins Heilige Land und auch der Besuch der EKD im Vatikan und natürlich jetzt der Beitritt der reformierten Kirchen zur gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Also, es ist sehr viel in Bewegung gekommen - vor allem auch auf der mittleren und unteren Ebene. 

Ich habe mich gewundert, wie groß das Interesse in Italien ist - nicht nur das der Lutherischen Gemeinde in Rom, sondern auch das der ältesten Lutherischen Gemeinde in Venedig. Das war wirklich berührend, denn in Italien setzt man das nicht einfach voraus. Was mir allerdings gefehlt hat, ist, dass es keine dauerhafte Einigung gegeben hat - zumindest sehe ich das bisher nicht. Denn, schöne Worte und schöne Gesten sind gut, aber es muss ja etwas auf die Zukunft hin geplant werden. 

domradio.de: Welche Rolle spielt denn Papst Franziskus? Wie offen ist der für die Ökumene?

Kasper: Franziskus ist sehr offen für die Ökumene. Der Besuch in Lund war ja ein säkulares Ereignis. Ich hätte vor zehn Jahren nicht gedacht, dass ein Papst zum Lutherischen Weltbund reist. Das hat großen Eindruck gemacht. Er beschreibt die Ökumene einfach als einen gemeinsamen Weg. Er lässt sich nicht auf große Zielbestimmungen ein. Man geht Schritt für Schritt weiter, schafft Vetrauen. Die persönliche Begegnung ist für ihn ganz wichtig. In dieser Hinsicht ist er irgendwie ein Genie. Und da hat sich auch vieles bewegt. Denn die Lutheraner waren auch sehr beeindruckt von ihrem Besuch beim Papst im letzten Jahr in Rom.

domradio.de: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass wir noch eine Abendmahlsgemeinschaft erleben werden?

Kasper: Das hoffen wir alle - das wäre das Ziel. Wir sind mit den wirklichen Lutheranern, die noch auf der Basis ihrer Bekenntnisschriften stehen, in dieser Frage sehr, sehr weit gekommen. Aber es gibt zweierlei Ökumene: Es gibt die Ökumene der Liberalen - auf unserer Seite wie auf der evangelischen Seite. Die interessieren sich nicht mehr für die alten Glaubenswahrheiten. Das ist natürlich keine Basis, auf der man weiterkommt.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch die wirklich Gläubigen und praktizierenden Christen auf beiden Seiten. Die sind sich sehr nahe gekommen, auch im alltäglichen Leben. Man kann darauf hoffen, dass da etwas daraus wird.

domradio.de: Wie, denken Sie, wird es jetzt weitergehen? Was wird der nächste Schritt in der Ökumene sein? 

Kasper: Ich denke, man müsste eine Vereinbarung über die Zulassung der Kommunion von bekenntnisverschiedenen Ehen finden. Diese Menschen leben zusammen. Das ist ein wirklich dringendes pastorales Problem. Bei denen, die den Glauben teilen, müsste das heute schon möglich sein, und es wird ja auch in vielen Pfarreien heute schon praktiziert.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR