Eine Einordnung zur Ökumene-Diskussion in Westfalen

"Man hätte sich vorher eine Lösung überlegen müssen"

Einen "diplomatischen Drahtseilakt" nennt domradio.de-Theologieredakteur Jan Hendrik Stens die Diskussion um die Predigt der westfälischen Präses Annette Kurschus in der Abtei Königsmünster. Es gebe durchaus Lösungen, betont Stens.

Abtei Königsmünster / © Andreas Kühlken (KNA)
Abtei Königsmünster / © Andreas Kühlken ( KNA )

domradio.de: Die Abtei Königsmünster hatte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen eingeladen, beim Benediktsfest in der Messe zu predigen. Das Erzbistum Paderborn erhob aber Einspruch. Warum darf denn die Präses nicht im Rahmen einer Messfeier predigen?

Jan Hendrik Stens (Liturgie-Redaktion): Das hängt mit der liturgischen Ordnung der katholischen Kirche beziehungsweise mit dem Kirchenrecht zusammen. Predigen können demnach grundsätzlich auch Laien, wenn es laut Kirchenrecht unter bestimmten Umständen notwendig oder in Einzelfällen als nützlich angeraten ist (Can. 766 CIC).

Allerdings gibt es unter den Formen der Predigt auch die Homilie. Das ist genau das, was wir normalerweise aus der Heiligen Messe kennen. Diese ist Priestern und Diakonen vorbehalten. Das heißt, dass durch das Kirchenjahr hindurch aus dem heiligen Text die Glaubensgeheimnisse und die Normen für das christliche Leben dargelegt werden (Can. 767 CIC). Diese Homilie ist Bestandteil der Liturgie und an Sonn- und Feiertagen Pflicht. An anderen Tagen ist sie immerhin empfohlen, so sagt es das Zweite Vatikanische Konzil (SC 52). Aber sie ist Priestern und Diakonen vorbehalten, weil das auch ihre Aufgabe in der Liturgie ist.

domradio.de: Interessant ist, dass der Einspruch nicht von der Leitung der Abtei kam, sondern vom Erzbistum Paderborn. Darf sich denn ein Bistum so einfach in die Angelegenheiten eines Klosters einmischen?

Stens: Die Abtei Königsmünster in Meschede ist ein rechtlich selbstständiges Kloster mit einem Abt. Dieser Abt wird auch selbstständig gewählt. Allerdings unterstehen die Ordensleute auch der Gewalt der Bischöfe, was die Seelsorge und die öffentliche Abhaltung des Gottesdienstes betrifft (Can. 678 CIC). Hier hat der Bischof, in dessen Diözese sich das Kloster befindet, eine Befugnis einzugreifen. Insofern ist das, was das Erzbistum Paderborn in diesem Fall gemacht hat, durchaus rechtens gewesen.

domradio.de: Die Abtei musste zurückrudern und man hat Präses Kurschus die Vesper als Alternative zum Predigen angeboten. Doch zu dem Termin, der um 14.30 Uhr anstelle um 17.45 Uhr ist, kann sie nicht. Wie hätte man das Problem lösen können?

Stens: Bei diesen Zeitangaben stutzt man schon ein wenig. Tatsächlich ist die Vesper, das Abendgebet, an diesem Tag um 14.30 Uhr und dann um 17.45 Uhr die Heilige Messe. Der 21. März wird in Benediktinerklöstern traditionell als Fest des Ordensgründers gefeiert. Das ist meist ein Wochentag, manchmal fällt der Termin auch auf einen Sonntag. In Meschede sieht dann die Gottesdienstordnung so aus, dass man im Falle eines Werktags die Festmesse zu einem Zeitpunkt feiert, an dem Menschen, die sonst an dem Tag arbeiten müssen, auch daran teilnehmen können. Deswegen findet das nicht morgens statt, sondern erst abends um 17.45 Uhr. Die Vesper wird von den Mönchen bereits um 14.30 Uhr, also zu einer ungewöhnlichen Zeit, gesungen. Daher kommt die etwas merkwürdig anmutende Gottesdienstordnung.

Es ist ein diplomatischer Drahtseilakt. Wenn man einerseits so eine prominente Persönlichkeit wie die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen ins Kloster einlädt und auf der anderen Seite von vornherein nicht daran gedacht hat, welche Probleme entstehen können, ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Einer Pressemitteilung der Abtei Königsmünster ist zu entnehmen, dass die Präses nach wie vor eingeladen ist. Allerdings geht das an diesem Tag nicht, da es bei ihr zum Zeitpunkt der Vesper um 14:30 Uhr aus terminlichen Gründen nicht passt. Den nachgeholten Besuch erhofft man sich in Meschede aber schon recht bald.

Man hätte das Problem aber auch lösen können, indem man die Gottesdienstfolge ein wenig abgeändert hätte. Vesper und Messe hätten unmittelbar aufeinander folgend gefeiert werden können, so dass die Predigt der Präses dann zum ursprünglich vereinbarten Zeitpunkt erfolgt wäre. Man hätte aber auch ein Festbankett mit Festakt auf die Tagesordnung hieven können, bei dem sie eine Ansprache hätte halten können. Es gibt aber auch noch andere Formen, beispielsweise ein Glaubenszeugnis oder eine Statio. Man muss einfach nur kreativ sein.

Hier hat man es vermutlich einfach aus Gewohnheit so gehalten wie üblich, denn hin und wieder predigen in katholischen Messfeiern auch Leute, die gar keine Priester sind. In vielen Pfarreien ist ein sogenannter "Kanzeltausch", bei dem ein evangelischer Pfarrer in der katholischen Sonntagsmesse predigt, obwohl es eigentlich nicht rechtens ist, durchaus üblich. Pfarrer, die sich hier an die katholischen Regeln halten, gelten dann schnell als Spielverderber oder als gegen die Ökumene eingestellt, weil ihr Standpunkt unpopulär ist. Das kann man auch an mancher tendenziösen Berichterstattung über diesen Fall merken. Hier in Meschede haben wir dann auch noch den Umstand, dass es eine bekannte Abtei ist, also nicht eine Pfarrei, die das "im hintersten Winkel" macht. Da hätte man sich vorher eine Lösung überlegen müssen, ohne mit den geltenden Spielregeln in Konflikt zu geraten, ohne in diplomatische Fettnäpfchen zu treten und wo niemand sein Gesicht verliert. Das ist aber leider passiert. Ich gehe aber davon aus, dass die Angelegenheit ein gutes Ende finden wird.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Präses Annette Kurschus beim Gottesdienst in der Erlöserkirche / © Harald Oppitz (KNA)
Präses Annette Kurschus beim Gottesdienst in der Erlöserkirche / © Harald Oppitz ( KNA )

Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige (DR)
Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige ( DR )
Quelle:
DR