Reisesegen am Tag der Autobahnkirchen

Ein deutsches Phänomen

Am Sonntag ist Tag der Autobahnkirchen. Dazu laden viele der 44 Gotteshäuser zu besonderen Andachten mit Reisesegen ein. Diese "Raststätten für die Seele" gibt es bisher fast ausschließlich in Deutschland - Tendenz steigend.

Autobahnkirche Medenbach an der A3 (epd)
Autobahnkirche Medenbach an der A3 / ( epd )

Die Andachten in fast allen Autobahnkirchen sollen nach Angaben der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen um 14 Uhr beginnen. In den Kirchen liegen kostenlose Broschüren wie "Gebete und Lieder für unterwegs" und mehrsprachige Reisesegen aus.

Erzbischof Schick feiert Messe

Beim ZDF-Fernsehgottesdienst, der aus der Autobahnkirche im oberfränkischen Trockau übertragen wurde, rief der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick zu einer regelmäßigen Unterbrechung des Alltags auf. Eine solche sei auch ein gutes Mittel, um Konflikte erst gar nicht eskalieren zu lassen, sagte er. Um etwa Frieden zwischen Völkern und Nationen wiederherzustellen, brauche es die Unterbrechung der Kampfhandlungen, eine Waffenpause, um zusammenzukommen, zu reden und Friedensverhandlungen aufzunehmen.

"Gönnen Sie sich Unterbrechung am Sonntag für den Gottesdienst, an den Werktagen für das tägliche Gebet, im Urlaub für Gespräche und gute Erfahrungen, während der Arbeit und im Beruf", riet Schick in seiner Predigt. Weiter fügte der Erzbischof hinzu, auch Stopps bei Autofahrten an einer Autobahnkirche seien sinnvoll, um nicht zu ermüden und unkonzentriert zu werden. "Gönnen Sie sich Frieden und beten Sie um den Frieden in der Welt.

Deutsches Phänomen

Autobahnkirchen als "Raststätten für die Seele" gibt es bisher fast ausschließlich in Deutschland - in anderen Ländern sind sie weitgehend unbekannt. Und das Netz wächst weiter, derzeit wird die 45. Kirche am Rastplatz Sindelfinger Wald geplant. Nach Angaben des Verbands der Versicherer im Raum der Kirchen in Kassel sucht jedes Jahr rund eine Million Menschen eine Ruhepause und Stärkung in einer der 44 Kirchen.

Die Akademie des Versicherer-Verbands betreut das Netz von 19 evangelischen, acht katholischen und 17 ökumenisch getragenen Gotteshäusern, die an Raststätten oder in der Nähe einer Autobahnabfahrt stehen. Im März hatte der Verband eine bessere Ausschilderung an den Autobahnen gefordert, die Piktogramme allein reichten nicht aus.

Erste Autobahnkirche im Jahr 1958

1958 wurde bei Adelsried an der A 8 zwischen München und Stuttgart die erste explizit als Autobahnkirche ausgewiesene Kirche "Maria, Schutz der Reisenden" erbaut. Seit den 1980er Jahren koordiniert und fördert die Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen in Kassel den Ausbau des deutschen Autobahnkirchennetzes.

Welche Voraussetzungen eine neu zu bauende oder auch bestehende Kirche erfüllen muss, um sich Autobahnkirche nennen zu dürfen, hat die Konferenz der Autobahnkirchenpfarrer festgelegt. Demzufolge muss sie eine direkte Autobahn-Anbindung haben, entweder an einer Raststätte oder Abfahrt. Die Entfernung von der Abfahrt darf nicht mehr als 1.000 Meter betragen. Außerdem sollte die Entfernung zwischen zwei Kirchen an einer Autobahn mindestens 80 Kilometer groß sein.

Zudem müssen Parkplätze und sanitäre Anlagen vorhanden sein, zudem muss der Träger - meist sind dies Vereine oder Stiftungen - bereit sein, tägliche Mindestöffnungszeiten von 8 bis 20 Uhr zu gewährleisten. Die Kosten für Energie und Reinigung muss der Träger ebenfalls tragen. Der Innenraum der Kirchen oder Kapellen sollte überdies so groß sein, dass er auch von Bus-Reisegruppen gemeinsam besucht werden kann. Die Auszeichnung als Autobahnkirche erfolgt stets auf Dauer.

Niedrigschwellige religiöse Angebote

Je nach Herkunft der Spender sind die Kirchen katholisch, evangelisch oder ökumenisch ausgerichtet. Einheitliche Standards für die Gestaltung und theologische Ausrichtung gibt es nicht. Meistens handelt es sich um niedrigschwellige religiöse Angebote. So dient das Gros der deutschen Autobahnkirchen und -kapellen vor allem als Raum der Stille und des individuellen Gebets. Es gibt aber mancherorts auch regelmäßige Gottesdienste.

Die meisten der bundesweit 44 Autobahnkirchen gibt es in den südlichen und westlichen alten Bundesländern, in Bayern sind es allein sieben. Der Norden Deutschlands ist ein weitgehend Autobahnkirchen-freier Raum, im nördlichen Niedersachsen, in Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg gibt es kein einziges explizit als solches ausgewiesenes Gotteshaus. Nur in Mecklenburg-Vorpommern an der A 19 zwischen Berlin und Rostock in Kavelstorf liegt eine evangelische Autobahn- und Gemeindekirche.

Die Idee von Orten der Ruhe und Besinnung entlang von Reiserouten ist hingegen keine der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wanderern und Pilgern wurden bereits im Mittelalter Andachtsmöglichkeiten in Form von Kapellen und Kreuzen am Wegesrand angeboten. In dieser Tradition sehen sich auch die Autobahnkirchen: Als Gegenpol zu der fortwährend schnelllebigeren Zeit wollen sie Orte sein, an denen Menschen auf der Suche nach Gott oder sich selbst Ruhe und Besinnung finden.


Quelle:
epd