Lutherbibel erfährt rund 15.000 Änderungen

Aus Sturm wird Beben

Seit fünf Jahren arbeiten Theologen und Sprachwissenschaftler an einer Überprüfung der lutherschen Bibelübersetzung. Jetzt steht das Werk vor dem Abschluss. Der Leiter des Projekts erklärt, wie die Experten vorgegangen sind.

Autor/in:
Peter Zschunke
Lutherbibel (dpa)
Lutherbibel / ( dpa )

Luther hat die deutsche Sprache kaum weniger geprägt als die Kirchengeschichte. Seine Bibel-Übersetzung setzte bei regional höchst unterschiedlichen Begriffen einheitliche Standards. So konnte sich in der Schriftsprache der thüringisch-sächsische Weinberg etablieren, nicht aber der im Südwesten übliche Rebberg oder der am Rhein gebräuchliche Wingert, wie der Mainzer Sprachforscher Rudolf Steffens erklärt. Die von Luther bevorzugte Ziege hat die süddeutsche Geis verdrängt, die aus dem Slawischen stammende Grenze die alte "Landmarch".

Solche Sprachprägungen machen die hohe Verantwortung deutlich, die mit Änderungen der Luther-Bibel verbunden sind. Fünf Jahre nach einem Beschluss der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu einer Revision (Durchsicht) der Bibelübersetzung neigt sich die Arbeit des damit beauftragten Lenkungsausschusses ihrem Ende zu. Der Auftrag sah "Veränderungen des Luthertextes lediglich dort vor, wo sie zwingend geboten sind".

Meist kaum bemerkbare Eingriffe

Das war dann aber doch an immerhin 10.000 bis 20.000 Stellen der Fall, bei annähernd 36.000 Versen im Alten und Neuen Testament. "Darunter sind viele Eingriffe, die wird man kaum bemerken", sagt der Leiter des Lenkungsausschusses, der Thüringer Theologe Christoph Kähler. Bei vielen Änderungen waren sich alle einig. "Es gab aber auch nicht wenige Stellen, bei denen wir erst abstimmen mussten."

Oft war es das persönliche Sprachgefühl, das zu Kontroversen führte. Bei der Überquerung des Sees Genezareth (Markus 4, 35-41) neigten die in Süddeutschland groß gewordenen Experten einer Rückkehr zu Luthers ursprünglicher Übersetzung mit Schiffen zu, während für küstennah aufgewachsene Wissenschaftler hier nur Boote infrage kommen. "Die Boote hätte man nur mit Zweidrittelmehrheit wieder zu Schiffen machen können, die hat sich nicht ergeben", berichtet Kähler aus der Arbeit im Lenkungsausschuss.

Blick in Fußnote bei bekannten Bibelstellen

Die Bereitschaft zu Änderungen sank mit dem Bekanntheitsgrad der einzelnen Bibeltexte. "Bei Texten, die viele in den Gemeinden auswendig können wie Psalm 23, ändern wir kein Jota, geben aber in dringenden Fällen eine korrektere Übersetzung in der Fußnote", erklärt Kähler. Bei Texten, die kaum jemand kenne, habe sich das Gremium eher zu Eingriffen entschließen können - falls notwendig.

Zu einer mittleren Gruppe gehören Texte, die auch sehr vielen bekannt sind wie die Sturmstillung (Matthäus 8,23-37) - "da sind wir sehr vorsichtig vorgegangen". Nahezu alle Übersetzungen sprechen hier von einem "großen Sturm". "Wir haben nun ein Beben daraus gemacht, weil im griechischen Text hier von Seismos die Rede ist", erklärt Kähler "Nach dem Tsunami von 2004 haben wir die Erwartung, dass die Gemeinden auch ein großes Beben im Meer gut verstehen können." Allerdings entschloss sich der Lenkungsausschuss erst nach langer Diskussion zu diesem Schritt.

Neue Bibel-App bis Oktober 2016

Die revidierte Lutherbibel wird bei den Jubiläumsfeiern zu 500 Jahren Reformation mit ihrem Höhepunkt im Jahr 2017 einen besonderen Platz einnehmen. Das Ergebnis der Durchsicht wird am 16. September auf der Wartburg dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm überreicht und geht dann auch an die Deutsche Bibelgesellschaft in Stuttgart.

Dort laufen dann die Vorbereitungen zur Drucklegung an. "Die Bibel wird ganz neu aussehen", sagt Lektorin Hannelore Jahr. So sei eine neue Schriftart geplant. Auch die App der Bibelgesellschaft wird neu entwickelt. Die Veröffentlichung ist bis Oktober 2016 geplant.

In der Kirche bewirkte Luther die Spaltung von Katholiken und Protestanten, in der Sprache aber eine überregionale Vereinheitlichung: "Gäbe es nicht Luthers Bibelübersetzung, würden wir Worte wie Ziege, Grenze oder Weinberg heute nicht kennen", sagt der Mainzer Sprachforscher Steffens.

Die Experten um Christoph Kähler haben mehr als literarische Übersetzer gewirkt. Einer wissenschaftlich exakten Übersetzung der hebräischen und griechischen Originalschriften sind die Zürcher Bibel von 2007 oder die Elberfelder Bibel näher als die Lutherbibel. Diese aber hat auch nach fast 500 Jahren noch ihren eigenen Klang, dem Kählers Projekt treu blieb: "Uns ging es bei der Revision der Luther-Bibel auch darum, die Poesie der Sprache zu erhalten."


Quelle:
dpa