Im US-Wahlkampf tendieren viele Evangelikale zu Barack Obama

Kampf um die Christen-Stimmen

Der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama könnte nach Ansicht des evangelikalen PR-Experten Mark DeMoss im November bis zu 40 Prozent der Stimmen weißer evangelikaler Wähler bekommen. Bei dieser Prognose dürften im Stab des republikanischen Bewerbers für das Weiße Haus, John McCain, die Alarmglocken geläutet haben. Denn DeMoss hat Gewicht.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Als langjähriger Berater des "Billy Graham Evangelisierungsverbandes" und anderer evangelikaler Organisationen hat er den Finger am Puls der US-amerikanischen Christenheit.

Seit drei Jahrzehnten ist ohne die konservativen Christen kein Republikaner Präsident geworden. Weiße Evangelikale stellen etwa ein Viertel der US-Bevölkerung. Vor vier Jahren stimmten 78 Prozent für George W. Bush. Bei den Vorwahlen in diesem Jahr gab es keinen evangelikalen Wunschkandidaten. Mitt Romney war Mormone, Rudy Giuliani mehrfach geschieden, Baptistenpastor Mike Huckabee galt als chancenlos und McCain als manchmal unberechenbarer Querdenker, hatte er doch gegen einen Verfassungszusatz gegen Homo-Ehe und für ein Wahlfinanzierungsgesetz gestimmt, das die Lobbyarbeit religiöser Verbände Kritikern zufolge behindert.

"McCain spricht die Sprache der Evangelikalen nicht"
Auch nach dem Vorwahlsieg habe McCain keinen guten Draht zu den Evangelikalen gefunden, meint Tony Perkins, Chef des konservativen Lobbyverbandes "Family Research Council". Die "New York Times" berichtet über verstärkte Bemühungen der McCain-Kampagne, konservative Christen zu gewinnen. Aber diese blieben "argwöhnisch". McCain spreche die Sprache der Evangelikalen nicht so richtig, und er sage nur wenig über seinen persönlichen Glauben. Der 71-jährige McCain war früher Mitglied der anglikanischen Episkopalkirche. Seit mehreren Jahren besucht er eine Baptistengemeinde.

Obama habe im Wahlkampf mehr über seinen Glauben gesprochen als alle demokratischen Präsidentschaftsbewerber seit dem Baptisten Jimmy Carter, beobachtet der Religionswissenschaftler Michael Lindsay, der ein Buch über Evangelikale und Politik ("Faith in the Halls of Power") geschrieben hat. Bei den Vorwahlen habe Obama eine beträchtliche Anzahl der Stimmen "häufiger Kirchgänger" bekommen. Evangelikale entdeckten sich die Themen soziale Gerechtigkeit, Frieden und Umwelt.

Mit Zulauf von weißen Evangelikalen könne das Obama-Lager rechnen, wenn sie mit McCains Kandidaten für den Posten des Vizepräsidenten nicht einverstanden sind und wenn Obama in zwei Punkten klar Position bezieht, vermutet Lindsay: Der Demokrat müsse klarstellen, dass er anders glaube als sein früherer Pastor Jeremiah Wright. Auch müsse Obama glaubwürdig versichern, dass er trotz Befürwortung des legalen  Schwangerschaftsabbruchs auf eine Reduzierung der Abtreibungszahlen hinarbeiten werde.

McCains' Schlag ins Gesicht
Kirbyjon Caldwell, Pastor bei der Hochzeit von Präsidententochter Jenna Bush, verabredet sich dem Magazin "Newsweek" zufolge jeden Freitag telefonisch mit anderen Pastoren zum Gebet für Barack Obama.
Natürlich werde nicht für einen Wahlsieg gebetet, sagt Joshua DuBois, Obamas "Mann fürs Religiöse". US-Politiker suchen schon immer die Nähe zu prominenten Pastoren - in der Hoffnung, dass von deren Prestige aus Sicht der Wähler etwas abfärbt.

Derartige Versuche McCains waren bislang nicht allzu erfolgreich. Im Mai distanzierte er sich wegen kontroverser Aussagen von zwei Predigern, die sich für ihn eingesetzt hatten. Trotz theologischer Differenzen mit den beiden sei McCains öffentliche Abkehr für viele Evangelikale ein "Schlag ins Gesicht" gewesen, urteilt Mark DeMoss auf der Webseite "beliefnet.com". Der Kontrast könnte größer nicht sein: Während sich Obama in dieser Woche mit rund 30 führenden Kirchenvertretern austauschte, kam es in New York zu einem Treffen von McCain mit Erzbischof Demetrios, dem Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche von Amerika.