Seligsprechung Kaplan Gerhard Hirschfelder in Münster

«Wirklich ein Zeuge des Evangeliums»

Der aus der schlesischen Grafschaft Glatz stammende Kaplan Gerhard Hirschfelder (1907-1942) wurde am Sonntag im Bistum Münster selig gesprochen. Die feierliche Zeremonie fand im Dom zu Münster statt. Die Seligsprechung wurde durch den Metropolit der Kirchenprovinz Köln, Joachim Kardinal Meisner, vorgenommen.

 (DR)

Nach den Worten Meisners hat Hirschfelder Zivilcourage und Tapferkeit bewiesen. Als Jugendseelsorger in der schlesischen Grafschaft Glatz, die bis 1972 zum Erzbistum Prag gehörte, sei ihm in der Hitlerzeit ein äußert schwieriges Seelsorgefeld zugewiesen worden. Die von der NS-Ideologie bedrängten jungen Menschen hätte ihn alle Vorsicht und Angst gegenüber den Machthabern vergessen lassen. Von Hirschfelder stammt der nazi-kritische Satz: "Wer der Jugend den Glauben aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher." Damit habe sich Hirschfelder "im Totaleinsatz" vor die Jugend gestellt und damit sei er "wirklich ein Zeuge des Evangeliums", betonte der Kardinal.



Mit einer Seligsprechung wird durch Urteil des Papstes festgestellt, dass eine verstorbene Person vorbildlich aus dem Glauben gelebt hat und in einer Region verehrt werden kann.



Hirschfelder wird in Münster besonders verehrt, weil die Stadt Sitz der Apostolischen Visitatur für die Katholiken der Grafschaft Glatz ist. Sie hatten 1998 den Seligsprechungsprozess für den Priester beantragt. Das Bistum Münster übernahm die Führung des Verfahrens.



Konzelebranten in dem Gottesdienst waren unter anderen Münsters Bischof Felix Genn, Bischof Ignacy Dec aus dem polnischen Swidnica (Schweidnitz) und der Prager Erzbischof Dominik Duka. In einem "Wort zur Seligsprechung" würdigte Genn Hirschfelder als "Hoffnungsträger" und "Brückenbauer zwischen Deutschen, Polen und Tschechen". Duka nannte ihn im Interview der münsterischen Bistumszeitung "Kirche und Leben" eine "beeindruckende charismatische Persönlichkeit" und einen "mutigen Kämpfer für die Freiheit".



Bereits vor fünf Jahren hatte die Diözese Münster eine Seligsprechung erlebt: 2005 wurde ihr früherer Bischof, Kardinal Clemens August von Galen, im Rom "zur Ehre der Altäre" erhoben. Er hatte die Tötung von Behinderten im Euthanasie-Programm der Nazis angeprangert und damit seinen Ruf als "Löwe von Münster" begründet.



Wer war Gerhard Hirschfelder?

Ein Satz mit drastischen Folgen: "Wer der Jugend den Glauben an Christus aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher", verkündet Gerhard Hirschfelder während einer Predigt im Juli 1941. Er ist zu diesem Zeitpunkt Jugendseelsorger in der damaligen Grafschaft Glatz in der Provinz Schlesien. Das Nazi-Regime, dem Hirschfelders Aussage gilt, lässt den Geistlichen kurz darauf festnehmen. Aus der Haft kehrt der Priester nicht mehr lebend zurück. Am kommenden Sonntag wird der Kaplan seliggesprochen, womit die Kirche seine Vorbildlichkeit hervorhebt.



Ort der Seligsprechung ist Münster. Hier wird Hirschfelder besonders verehrt, da die Stadt Sitz der Apostolischen Visitatur für die Katholiken der Grafschaft Glatz ist. Auch der nahe gelegene Marienwallfahrtsort Telgte gilt bei den "Grafschaftern" als sehr beliebt. Im Jahr 1998 beantragen sie den Seligsprechungsprozess für Hirschfelder. Das Bistum Münster übernimmt den Fall. Im März 2010 erkennt Papst Benedikt XVI. Hirschfelders Martyrium an und erlässt die Dekrete für die Seligsprechung.



Als Sohn einer alleinstehenden Mutter wird Hirschfelder 1907 in Glatz, dem heutigen polnischen Klodzko, geboren. Es belastet ihn zeitlebens schwer, unehelich und ohne Vater aufgewachsen zu sein. Dennoch wird dem späteren Kaplan "ein fröhliches Naturell, eine offene Herzlichkeit und eine überaus große Freundlichkeit" nachgesagt. Hirschfelder wird 1932 in Breslau zum Priester geweiht, ein Jahr später übernimmt Hitler die Macht in Deutschland.



Für Hirschfelder beginnt eine schwere Zeit. Seine Veranstaltungen überschneiden sich zum Teil mit denen der nationalsozialistischen Jugendarbeit. Dem Priester gelingt es dennoch, junge Christen an sich zu binden und sie von der Hitlerjugend fernzuhalten. Der Staatsmacht ist der Geistliche damit ein Dorn im Auge. Seine Predigten werden bespitzelt,



Gruppenstunden mit Jugendlichen überwacht, die Wohnung durchsucht. Um den Priester der Kontrolle der Nazis zu entziehen, versetzt ihn der Generalvikar der Grafschaft Glatz 1939 schließlich nach Habelschwerdt, das heutige Bystrzyca Klodzka in Polen.



Wegen seines guten Drahtes zu jungen Menschen wird Hirschfelder aber wenige Monate später zum Diözesanjugendseelsorger ernannt - und gerät damit erneut ins Blickfeld der Nazis. 1941 wird der Kaplan schließlich verhaftet und im gleichen Jahr in das Konzentrationslager nach Dachau überführt. Dort stirbt er 1942 völlig entkräftet im Alter von 35 Jahren. Seine Urne wird in Tscherbeney, dem heutigen polnischen Ort Czermna nahe der tschechischen Grenze, beigesetzt. Dort hatte Hirschfelder sieben Jahre lang als Geistlicher gewirkt.



Für seinen Einsatz als überzeugter Widerstandskämpfer wird Hirschfelder bis heute von Deutschen, Polen und Tschechen gleichermaßen verehrt. Für die Seligsprechung sind in den drei Ländern rund 10.000 Unterschriften gesammelt worden. Viele sehen in Hirschfelder einen "Brückenbauer" zwischen den Nationen.