Am Wochenende startet die interkulturelle Woche

"Vielfalt - Das Beste gegen Einfalt"

"Flucht und Vertreibung" lautet das Thema der diesjährigen Interkulturellen Woche. Sie startet am Sonntag mit deutschlandweit 5.000 Veranstaltungen. Für Johann Hinrich Claussen von der EKD ein Zeichen gegen Verrohung und Gewalt.

Verschiedene Ausstellungsgegenstände zum Thema "Unterwegs in den Besatzungszonen" / © Swen Pförtner (dpa)
Verschiedene Ausstellungsgegenstände zum Thema "Unterwegs in den Besatzungszonen" / © Swen Pförtner ( dpa )

domradio.de: Welchen Aspekt des Mottos "Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt" möchten Sie im Eröffnungsgottesdienst hervorheben?

Johann Hinrich Claussen (Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland): Der Gottesdienst selber wird schon vielfältig sein. Es ist eine Vorstellung eines christlichen und gesamtgesellschaftlichen Wunsches nach einer entspannten, fröhlichen und sich bereichernden Vielfalt. Ich werde predigen, die Liturgie wird von den katholischen und griechisch-orthodoxen Kollegen vollzogen.

domradio.de: Wieso dieser Veranstaltungsort?

Claussen: Der Ort steht für eine urdeutsche Flüchtlings- und Vielfaltsgeschichte - Friedland bei Göttingen, das große Auffangs- und Übergangslager. An so einem bemerkenswerten Ort verknüpft sich einfach die Erinnerung daran, wie viele Deutsche selbst eine Flüchtlingserfahrung erlebt haben.

domradio.de: Das Grenzdurchgangslager dient heute als Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Wie sieht es dort heute aus?

Claussen: Ich war vor den Sommerferien da. Dorthin lockte mich das neue Museum zu Flucht und Vertreibung. So ein Museum gibt es gar nicht so oft in Deutschland. Berlin versucht beispielsweise seit Jahren so eins auf die Beine zu stellen. Man hat den Bahnhof, an dem viele Menschen ja noch in Vieh- und Güterwagen als Kriegsvertriebene und Flüchtlinge ankamen, eindrucksvoll zu einem Museum ausgebaut.

domradio.de: Hier treffen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufeinander. Wie sieht das aus?

Claussen: Es lohnt sich auf jeden Fall, einen kleinen Abstecher von Göttingen zu machen und es sich anzuschauen. Man hat einerseits eine sehr bewegende Aufarbeitung der Geschichte der "displaced people" und andererseits hat man diese immer wieder mit Ausblicken auf Fluchtgeschichten und Migrationsbewegungen heute verbunden. Wenn man dann das Museum verlässt, sieht man gleich daneben das Lager, das Teil der Ortschaft ist. Es ist nicht eingezäunt oder bewacht. Ein engagierter Bürgermeister und ganz offene Bewohner von Friedland haben den großen Ansturm von Flüchtlingen vorbildlich bewältigt.

domradio.de: Wo findet der Gottesdienst statt?

Claussen: Friedland besitzt als Gedenkort eine evangelische Barackenkirche aus den 50er Jahren. Daneben ist eine große katholische Kirche, in der der Gottesdienst stattfinden wird. Eine witzige Anekdote: Es gibt einen kleinen Krämerladen, der jedes halbe Jahr sein Sortiment nach den jeweiligen Migrantenguppen wechselt; zurzeit ist es russisch, da viele Aussiedler aus Russland kommen.

domradio.de: Was bewirkt die Interkulturelle Woche?

Claussen: Ich finde, dass sie ein tolles Zeichen ist. Ich wünsche allen, die an den unterschiedlichsten Orten bei den verschiedensten Veranstaltungen mitmachen ganz tolle Begegnungen und Erfahrungen. Wir erleben leider wirklich eine erstaunliche Verrohung des öffentlichen Gesprächs und eine Zunahme massiver Gewalt gegen Fremde. Hier ist es ganz wichtig, dass die Zivilgesellschaft - da gehört die Kirche dazu-  Hasspredigern keinen öffentlichen Raum gibt.

Wir dürfen uns nicht zurückziehen, sondern müssen positive Botschaft in die Welt senden: Wir sind für ein weltoffenes, vielfältiges Deutschland! Wir sind gegen Abgrenzung nach außen und Spaltung nach innen! Die Fragen, wie man welche Menschen und in welchem Umfang hier integriert, bietet Gesprächsstoff. Da kann man auch unterschiedlicher Meinung sein und das offen in einem politischen Streit klären. Aber man muss gegen die massive Verrohung ein Zeichen setzen und dem dient die interkulturelle Woche.

Das Interview führte Silvia Ochlast.

 

Museum Friedland in der Nähe von Göttingen / © Swen Pförtner (dpa)
Museum Friedland in der Nähe von Göttingen / © Swen Pförtner ( dpa )
Quelle:
DR