Christian Bernzen

Prof. Christian Bernzen / © MSBH Bernzen Sonntag
Prof. Christian Bernzen / © MSBH Bernzen Sonntag

Samstagvormittag in Hamburg. In Sichtweite ist die Elbphilharmonie, die Speicherstadt und der älteste Hafen Hamburgs: der Nikolaifleet. Unentwegt klingelt das Handy von Christian Bernzen - und fast immer geht es um die Hamburger Schulgenossenschaft. Um die soll es jetzt auch in unserer Sendung gehen: das Handy hat also Pause und das Mikrofon läuft.

Jede Geschichte hat einen Anfang. Die Geschichte der Hamburger Schulgenossenschaft beginnt Anfang dieses Jahres, als Stefan Heße, der Erzbischof von Hamburg, die Verschuldung seines Erzbistums öffentlich machte - und als Folge davon Schulschließungen ankündigte.

Wir überlegen gut, wo wir unser Geld investieren

Wut und Empörung, Protest und Großdemonstrationen waren die Folge. Was niemanden wirklich überraschte. Aber als bald danach eine zweite Nachricht aus Hamburg bundesweite Wellen schlug - waren alle überrascht: Die traditionell protestantische Hamburger Zivilgemeinschaft wollte die katholischen Schulen nicht nur erhalten. Sondern übernehmen. Aber sollten die nicht wirtschaftlich untragbar sein?

"Hamburg ist eine Stadt mit viel unternehmerischem Mut. Und mit einer langen Tradition, in der Kaufleute, Verantwortung übernehmen. Die Universität von Hamburg haben zum Beispiel Kaufleute gegründet. Also, wir überlegen gut, wo wir unser Geld investieren, wenn wir nicht davon überzeugt sind, dass das wirtschaftlich geht, dann machen wir es auch nicht".

Dann fassen wir die Dinge eben gemeinsam an

Und warum eine Schulgenossenschaft? "Wir brauchen viele Menschen, die sagen, diese Schulen sind uns wichtig, sonst geht gar nichts", sagt Christian Bernzen. Und wollte das Gegenteil von dem machen, was passiert ist: "Statt einer Entscheidung eines einzigen, fassen wir zusammen an, entscheiden gemeinsam".

Schnell gibt es ein Team aus Menschen, die alle viel Erfahrung haben. In Schule, Kirche, Politik. Junge Menschen, wie den BDKJ Vorsitzenden Martin Helfrich, zugleich SPD Politiker. Frauen, die in der Finanzwelt zu Hause sind oder der Jesuit Stefan Kiechle, lange Provinzial der deutschen Jesuiten. Franziska Hoppermann, Landesvorsitzende der Frauenunion Hamburg. Nikolaus Hill, der in Hamburg schon die Elbphilharmonie und die Bewerbung für Olympia mit verantwortet hat. Diesem Kernteam schließen sich rasch Hunderte Hamburger an.

Wir wollen nicht, dass reiche Leute sich ihre Schule kaufen können

Und was ist das, eine Schulgenossenschaft? "Viele Menschen kennen Wohnungsbaugenossenschaften. Nach der Idee von Herrn Raiffeisen ist es ganz einfach: dass was einzelne nicht alleine schaffen, können viele gemeinsam. Viele Menschen legen ein bisschen Geld zusammen und dann beschafft man alles, was Schulen brauchen."

200 Euro kostet ein Genossenschaftsanteil für Schüler*innen, 1000 Euro für Erwachsene. Mindestens. Aber jede und jeder hat nur eine Stimme: "Wir wollen nicht, dass reiche Leute sich ihre Schule kaufen können, sondern wir wollen, dass alle mitentscheiden können. Alle, die wollen."Niemand muss in der Genossenschaft sein, um die Schule besuchen zu können. Aber wer mitentscheiden will, über Schulprogramm und Schulgebäude, über Geld und Bewerber, der muss auch mit Verantwortung tragen."

Die Menschen müssen wissen, was sie wollen

200 Euro für Schüler*innen, ist das nicht ein bisschen viel? Christian Bernzen lacht: "Na, soviel wie das eigene Handy sollte die eigene Schule schon wert sein. Und wenn jemand aus einer armen Familie kommt, dann helfen wir. Aber ganz ohne Mühe wird es für niemanden sein."

Aber es geht Christian Bernzen nicht nur darum die katholischen Schulen, an denen Schüler*innen aus 85 Ländern lernen, zu erhalten. Er will sie auch verändern, weiterentwickeln. "Die Menschen müssen wissen, was Sie wollen. Das ist in gewisser Weise eine Herausforderung. Die heißt: du musst wissen, was du willst. Es wird niemand geben, dem du am Ende sagen kannst, ich konnte nichts dafür, ich musste auf ein altsprachliches Gymnasium und das war schrecklich! Die Menschen entscheiden mit. Dafür müssen sie wissen, was sie wollen."

Was es bedeutet von Gott gehalten zu sein

Christian Bernzen ist für seine Kanzlei bundesweit unterwegs und hat einen Lehrauftrag in Berlin. Auch ganz ohne Schulgenossenschaft wird ihm nicht langweilig. Warum jetzt noch dieses Ehrenamt, vor der Arbeit, nach der Arbeit und am Wochenende? "Meine persönliche Motivation ist, dass Menschen in Hamburg entdecken können: Kirche in dieser Stadt ist ein ernsthaftes Angebot, um im eigenen Leben zu entdecken, was es bedeutet von Gott gehalten zu sein."

"Ich möchte, dass Kirche in dieser Stadt ein glaubwürdiger Gesprächspartner bleibt. Und das ist sie nicht, wenn sie mitteilt, Kinder und Jugendliche interessieren uns nicht mehr so. Und das ist sie nicht, wenn sie sagt, Zuwanderer interessieren uns nicht so. Neulich hat jemand  gesagt, naja, wissen Sie in sozial schwachen Stadtteilen, da kann man ja Schulen in privater Trägerschaft nicht betreiben. Was dabei raus kommt ist ein bisschen schrecklich, was dabei rauskommt ist: Schule für reiche Leute. Das darf überhaupt gar nicht passieren."

Und wie stehen die Chancen?

"Das Erzbistum hat klug und zurückhaltend reagiert. Es prüft anhand seiner Kriterien. Wir wünschen uns eine schnelle Entscheidung. Wir hoffen, dass die, die am Tempo der Entscheidung beteiligt sind, auch die Bedürfnissen an Tempo in der Stadt im Blick haben. Also die Bedürfnisse der Schüler*innen, die eine schnelle Entscheidung zum nächsten Schuljahr brauchen."

Jede Geschichte hat ein Ende, diese Geschichte hier schreibt das Leben aber gerade erst. Es ist eine, die Schule machen könnte. Ich wünsche einen guten Ausgang.