domradio.de: Sie haben gerade Ihre Memoiren veröffentlicht - wie kam es zu diesem Buch?
Knobloch: Verschiedene Freunde haben mich jahrelang aufgefordert, doch ein Buch über mein Leben zu schreiben. Und dann habe ich mich halt überreden lassen.
domradio.de: Ihr Buch trägt den Titel: "In Deutschland angekommen". Ein langer Weg, denn zu Deutschland haben sie ja - aus guten Gründen - ein eher ambivalentes Verhältnis, oder?
Knobloch: Ich musste nach 1945 wieder lernen, in dieses Land und in diese Menschen zu vertrauen. Und nachdem mein Mann und ich unsere Auswanderungspläne ad acta legen mussten, habe ich mich entschlossen, es meinem Vater gleichzutun. Er war von Anfang an voller Zuversicht und Hoffnung, dass jüdisches Leben in Deutschland wieder eine Zukunft haben würde. Und ich danke Gott dafür, dass ich dazu einen eigenen Beitrag leisten konnte.
domradio.de: Hatten Sie nie den Wunsch, nach Israel zu gehen?
Knobloch: Wir wollten weg von Deutschland. Aber es war damals nicht so einfach, nach Israel auszuwandern. Zu dieser Zeit hatte der Staat Israel noch nicht die Möglichkeiten wie heute. Deshalb schauten wir uns nach der nächstmöglichen Alternative um. Und das waren die Vereinigten Staaten von Amerika.
domradio.de: War bei der Arbeit an Ihrem Buch - gerade was die Zeit der Verfolgung angeht - die Erinnerung wieder da?
Knobloch: Aber selbstverständlich. In den entsprechenden Passagen fiel es mir nicht leicht, darüber zu sprechen. Dasselbe erlebe ich bei Gesprächen mit jungen Menschen in Schulen: dass es mir manchmal doch sehr nahe geht, über verschiedene Dinge zu sprechen, die ich erlebt habe.
domradio.de: War das Buch auch eine Möglichkeit, diese Erlebnisse zu verarbeiten?
Knobloch: Es ist ein Teil meines Lebens gewesen. Und genau das hat man ja von mir gefordert: über mein Leben zu berichten.
domradio.de: Was würden Sie im Rückblick als Ihr Lebenswerk bezeichnen?
Knobloch: Mein Lebenswerk sind die Synagoge und das Gemeindezentrum im Herzen meiner Heimatstadt München. Hier bin ich angekommen, entsprechend habe ich das bei der Grundsteinlegung auch gesagt: Jetzt habe ich meine Koffer ausgepackt.
domradio.de: Monatelang war die Beschneidungsdebatte in den Schlagzeilen. Sie haben in der Süddeutschen Zeitung" geschrieben, dass hätte Sie ins Wanken gebracht. Inwiefern?
Knobloch: Ich habe mich immer sehr dafür eingesetzt, dass aus dem jahrzehntelangen Nebeneinander ein Miteinander wird zwischen der jüdischen Gemeinschaft und unserer Umwelt. Das ist mir auch gelungen, denke ich. Aber diese Debatte hat diesen Vorsatz sehr angegriffen - und beinahe zerstört. Deswegen der Artikel in der Süddeutschen Zeitung. Ich war einfach schockiert, wie man im heutigen Deutschland mit der jüdischen Religionsgemeinschaft umgeht,
domradio.de: Und wie bewerten Sie den Gesetzentwurf, der Beschneidung nicht unter Strafe stellt, sofern sie nach den Regeln ärztlicher Kunst vollzogen wird?
Knobloch: Ich bin sehr glücklich über die Gesetzesvorlage, die von Bundesjustizministerium ausgegangen ist. Das habe ich der Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger auch persönlich gesagt. Es ist eine Chance, dieses furchtbare Thema endlich vom Tisch zu bringen. Auf der anderen Seite ist für mich schon eine negative Überlegung: Ein Gesetz kann man immer wieder ändern. Aber ich hoffe, dass das nie geschieht.
Das Gespräch führte Aurelia Rütters.
Die Autobiografie von Charlotte Knobloch
"Jetzt habe ich meine Koffer ausgepackt"
Unter dem Titel "In Deutschland angekommen" hat Charlotte Knobloch gerade ihre Lebenserinnerungen veröffentlicht. Im domradio.de-Interview blickt sie zurück – auch auf die mit dem neuen Gesetz vorerst beendete Debatte um Beschneidungen.
Share on