Lehrer mit Migrationshintergrund können bei der Integration helfen

Vorbilder

Immer mehr Schüler in Deutschland haben ausländische Wurzeln - Lehrer mit Zuwanderungsgeschichte gibt es aber nur wenige. In einem Projekt in NRW organisieren sie sich seit Kurzem. Ihre Leitidee: Ich habe es geschafft. Denn die Pädagogen sind Vorbilder.

Autor/in:
Michael Ruffert
 (DR)

Für die Jugendlichen gehört er inzwischen einfach dazu. "Sie sind doch Deutscher", ruft ein Schüler verwundert dazwischen, als Cem Özel in der Wirtschaftsklasse der Höheren Handelsschule vor der Presse von seinem "Migrationshintergrund" erzählt. Tatsächlich sieht man dem 35-Jährigen, der ein lockeres Hemd und Blue-Jeans trägt, seine ausländischen Wurzeln kaum an.

Aber Özels Eltern stammen aus Izmir in der Türkei - und der Sohn der Zuwanderer ist seit Februar frisch gekürter Studienrat am Reinhard-Mohn-Berufskolleg in Gütersloh. "Es ist mir wichtig, für Schüler mit ausländischem Hintergrund ein Vorbild zu sein", sagt er.

Als er als Referendar am Berufskolleg anfing, war er für viele Schülerinnen und Schüler noch ein Exot. "'So was wie Sie haben wir hier noch nie gesehen', haben einige gesagt", erinnert er sich schmunzelnd. Denn Studienrat Özel ist unter den 85 Pädagogen am Gütersloher Berufskolleg einer von drei Lehrkräften mit Migrationshintergrund, der einzige mit türkischen Wurzeln - aber mehr als ein Viertel der Schüler stammen aus zugewanderten Familien.

"Sie können Brücken bauen"
Dieses Verhältnis spiegelt die allgemeine Lage an deutschen Schulen wieder. "In Nordrhein-Westfalen haben rund 30 Prozent der Schüler eine Zuwanderungsgeschichte, aber nur knapp ein Prozent der Lehrer", sagt Antonietta Zeoli, Landeskoordinatorin des nordrhein-westfälischen Projekts "Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte", das als einer der "365 Orte im Land der Ideen" ausgezeichnet wurde. Die bundeseite Auszeichnung für gesellschaftlich nachhaltige und innovative Ansätze steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler.

Ziel des Programms ist, die Lehrer mit ausländischen Wurzeln zu organisieren und mit ihnen bei Schülern mit Zuwanderungsgeschichte für das Lehrerstudium zu werben. Die Leitidee lautet: "Ich habe es geschafft - Du kannst es auch." Denn Studien zeigen, dass es Schüler motiviert und zur Integration beiträgt, wenn ihre Lehrer ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie sie. "Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte übernehmen auch eine Mittlerfunktion", sagt die nordrhein-westfälische Schulministerin Barbara Sommer (CDU). "Sie können Brücken bauen zwischen Schülern, Eltern und Schule."

Kongress in Paderborn
Inzwischen sind über 350 Lehrer aus mehr als 15 Nationen mit ausländischen Wurzeln in dem Netzwerk organisiert. Sie lehren an Gymnasien und Gesamtschulen, an Berufskollegs und Hauptschulen. Am Montag und Dienstag (08./09.03.2010) veranstalteten die Träger des Projekts in Paderborn einen Bundeskongress zum Thema "Lehrkräfte mit Migrationshintergrund".

Welche Bedeutung Lehrer als Vorbilder für Kinder und Jugendliche haben, spürte Seyhan Özden bereits während ihrer Kindheit in der Türkei. "Ich habe meine erste Lehrerin angehimmelt, denn sie war für mich die Tür zur Welt der Weisheit", erinnert sie sich. Jetzt ist Özden, die mit 16 Jahren nach Deutschland kam, selbst Lehrerin an der Gesamtschule in Dortmund Nord - und ihr größter Wunsch ist es, "die Schülerinnen und Schüler zu inspirieren, wie ich damals inspiriert worden bin".

"Das beste Beispiel für gelungene Integration"
Cem Özel arbeitete erst bei der Sparkasse Paderborn, bevor er sich entschloss, Lehrer zu werden. Bei seiner ehrenamtlichen Arbeit im Ausländerbeirat, wie die Migrationsbeiräte damals hießen, und durch seine Arbeit mit Jugendgruppen "habe ich gemerkt, dass mir eine Lehrtätigkeit liegt". Er studierte dann an der Universität Paderborn Wirtschaftspädagogik und schloss als "Diplom-Handelslehrer" ab.

In der Klasse der Höheren Handelsschule von Cem Özel sitzen Schüler aus neun Nationen. Sie stammen aus der Türkei, Bosnien, dem Kosovo, Italien oder sind russischer Herkunft. Im Unterricht fällt das wenig auf, die Schüler sprechen alle gut Deutsch. In Gruppen gehen sie der Frage nach, ob das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wirklich ein zeitgemäßer Wohlstandsindikator ist. Schließlich, so trägt ein Schüler an der Tafel vor, schlägt im BIP auch das Fällen von Bäumen positiv zu Buche, obwohl es eigentlich der Umwelt schade.

"Ich finde es positiv, dass wir einen Lehrer mit Migrationshintergrund haben", sagt der 17-jährige Lars Kampworth, ein Schüler mit deutschen Wurzeln. Die 16-jährige Melike mit türkischer Herkunft trägt ein Kopftuch. Sie findet, dass es "schon etwas besonders ist, wenn Ausländer so erfolgreich sind". Mit solchen Lehrern könne auch ein Zeichen gegen Vorurteile gesetzt werden. Überhaupt scheinen sich die Schüler insgesamt einig zu sein: Özel ist für sie "das beste Beispiel für gelungene Integration".