Das Weltstrafgericht verurteilt den kongolesischen Kriegsverbrecher Thomas Lubanga

Nur 14 Jahre Haft für den Warlord

Das Urteil kann die Leiden seiner Opfer kaum aufwiegen: In acht Jahren könnte der wegen Kriegsverbrechen verurteilte Kongolese Lubanga wieder frei sein. Dennoch wird dieses Urteil im Kongo für Aufsehen sorgen, meint die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Europaparlament, Barbara Lochbihler, im domradio.de-Interview.

Autor/in:
Marc Engelhardt
 (DR)

An die Opfer Lubangas gehe mit der Verurteilung das Signal aus, dass ein Stück weit Gerechtigkeit geübt werde. Zudem erhofft sich die Grünen-Politikerin, dass das Urteil auch eine abschreckende Wirkung auf flüchtige Kriegsverbrecher zeigen wird, wie zum Beispiel Joseph Kony, Anführer der Rebellengruppe Lord Resistance Army. Dennoch kritisierte Lochbihler am Mittwoch die Dauer des Prozesses. Sie hofft, dass der Internationale Strafgerichtshof in Zukunft effizienter arbeitet.



Das Strafmaß nahm er regungslos entgegen: Thomas Lubanga, 51, war einst Kommandeur einer der gefürchteten Milizen, die um die Jahrtausendwende den Osten Kongos terrorisierten. Wegen Kriegsverbrechen muss er für 14 Jahre in Haft, wie der Internationale Strafgerichtshof am Dienstag in Den Haag verkündete. Davon abgezogen werden die mehr als sechs Jahre, die er bereits in Untersuchungshaft saß. Lubanga kann zufrieden sein: Die Anklage hatte eine mehr als doppelt so lange Strafe gefordert. Seine Opfer dagegen dürften entsetzt darüber sein, dass Lubanga in weniger als acht Jahren schon wieder auf freiem Fuß sein könnte.



Im Osten Kongos konnten viele Menschen schon während des Prozesses nicht verstehen, warum die meisten seiner Untaten gar nicht erst verhandelt wurden. Einzig die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldaten wurden untersucht. Einen Freispruch aus Mangel an Beweisen in anderen Anklagepunkten, etwa Mord, Vergewaltigung oder Folter, wollte der ehemalige Chefankläger Luis Moreno Ocampo vermutlich nicht riskieren. Die Richter am Strafgerichtshof machten ihm dafür am Dienstag schwere Vorhaltungen.



Die jüngsten Kinder, die Lubanga 2002 und 2003 mit Macheten und Kalaschnikows ausrüstete, sollen gerade neun Jahre alt gewesen sein. Seine "Union Kongolesischer Patrioten" (UPC) war gefürchtet. "Lubangas Miliz hat Hunderte Kinder rekrutiert und dann zum Töten, Vergewaltigen und Plündern ausgebildet", erklärte Chefankläger Luis Moreno Ocampo zum Prozessauftakt. "Unter den Folgen leiden die Kinder noch heute." Juristisch blieb der Vorwurf gegen Lubanga, er habe systematisch Vergewaltigungen angeordnet, allerdings unhaltbar.



Hatte er ein Gebiet erobert, setzte er den Familien in der Ituri-Region im Nordosten Kongos Ultimaten: Wer überleben wollte, musste Lubangas Miliz mit einer Kuh, mit Bargeld oder mit einem Sohn unterstützen. Das wurde vor Gericht belegt. Wer durch Ituri reist und die Menschen nach Thomas Lubanga fragt, bekommt noch viel Schlimmeres zu hören: Ein zynischer Sadist sei der Mann aus der Volksgruppe der Hema gewesen, der fast immer unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol gestanden habe. Lubanga habe Massenhinrichtungen oder Massaker angeordnet, bei denen Hunderte mit Vorschlaghämmern erschlagen oder mit Macheten in Stücke geschnitten worden seien.



Viele internationale Berichte belegen, dass Lubangas Horden Anfang 2003 in nur zwei Wochen 26 Dörfer in Mongbwalu niederbrannten, einer Region mit mehreren Goldminen. Mindestens 350 Bewohner wurden ermordet, mehr als 60.000 flohen. Die meisten Opfer gehörten zur Lendu-Ethnie, deren Verfolgung das erklärte Ziel Lubangas war. Mit Hasstiraden gegen die Lendu sicherte Lubanga sich die Unterstützung vieler Hema, denn über knappes Land in der Region war es zwischen den beiden Ethnien immer wieder zu Konflikten gekommen.



In diesem Zusammenhang wirft die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" Lubanga auch Massaker, Mord, Folter, Vergewaltigungen und Verstümmelungen vor. Doch in Den Haag spielten all diese Taten keine Rolle. Forderungen von Menschenrechtsgruppen, die Anklage gegen Lubanga auszuweiten und auch seine Hintermänner anzuklagen, blieben folgenlos. Weder die Regierungen Ugandas noch Ruandas, die Lubanga im Kongokrieg nacheinander unterstützten, müssen deshalb mit einer Anklage rechnen.



Während Lubanga in Den Haag seine Strafe absitzen muss, tobt in seiner Heimat bereits der nächste Bürgerkrieg. Der ebenfalls wegen Kriegsverbrechen vom Strafgerichtshof gesuchte Bosco Ntaganda, im Ituri-Konflikt Lubangas Stellvertreter, führt dort eine M23 genannte Miliz an, die nach Informationen vom Dienstag nur noch 40 Kilometer von der Stadt Goma entfernt ist. Einem UN-Bericht zufolge wird die Miliz von Ruanda unterstützt, was die dortige Regierung bestreitet. Ein schnelles Ende des Konflikts ist nicht in Sicht, wieder wird getötet, vergewaltigt, vertrieben.