domradio.de: Die Prüfer berichten von teilweise unhygienischen, ekelerregenden Zuständen. Da ist die Rede von fleckigen Schaumstoffmatratzen mit toten Insekten, Toilette und Wasserspender seien verdreckt. Können Sie diese Erfahrungen bestätigen?
Berkenbrink: Das würde ich nicht als durchgehende Erfahrung bestätigen. Nach meinem Erkenntnisstand bezog sich das auf eine Jugendstrafanstalt in Berlin. Grundsätzlich muss man natürlich sagen, dass die Mehrheit der deutschen Gefängnisse, auch zum Beispiel im Erzbistum Köln, zum Teil über 100 Jahre alt ist. Der bauliche Zustand ist dann unter Umständen nicht mehr optimal.
domradio.de: Die Anti-Folter-Stelle nennt diese Verschmutzungen eine Verletzung der Menschenwürde. Teilen Sie diese Einschätzung?
Berkenbrink: Dass es sich in dem vorliegenden Fall, so wie ich den Bericht verstanden habe, um den sogenannten besonders gesicherten Haftraum handelt, in dem Gefangene zwangsweise untergebracht werden, kann ich das an dieser Stelle unterstreichen, ja.
domradio.de: Ein häufiger Kritikpunkt ist, dass Häftlinge auch beim Toilettengang unter besonderer Beobachtung stehen. Durch Video oder einen Weitwinkelspion werden sie kontrolliert und Frauen sollen sogar von männlichem Personal beobachtet werden. Ist das in der Tat Standard, die Überwachung an so intimen Orten?
Berkenbrink: Ich arbeite in einer nagelneuen Anstalt, in der JVA Wuppertal-Ronsdorf. Auch da ist es so, dass der besonders gesicherte Haftraum und auch weitere Zellen, in denen Gefangene untergebracht werden, die aus Gründen der Suizidprophylaxe sich dort befinden, wo eine Suizidgefahr angenommen wird, diese Räume sind in der Tat komplett videoüberwacht und die Toiletten sind nicht abgetrennt. Es gibt keinen Schambereich, das heißt die Kolleginnen und Kollegen, die die Überwachung auf den Kameras durchführen, haben kompletten Eingriff auf den Haftraum. Das ist kein Thema von alten Gefängnissen, sondern in diesen Neubauten in NRW ist das genauso.
domradio.de: Was erleben Sie denn in den Gesprächen mit den Häftlingen. Klagen sie auch darüber?
Berkenbrink: Die Menschen sind nicht gleich. Das ist auch im Gefängnis so. Der eine sagt, das ist mir egal, wobei ich glaube, die Gefangenen wissen nicht, dass nicht nur männliche Bedienstete Blick auf die Monitore haben, dann wäre es vielleicht nochmal eine andere Situation. Man muss sagen, dass natürlich diese Situation: Sie müssen einen Menschen, so heißt es im Vollzug, unregelmäßig beobachten, das heißt 15-minütig. Das ist für den Gefangenen eine Belastung, das geht ja Tag und Nacht. Und natürlich hat eine Zelle, wo man immer hereingucken kann, den Vorteil, dass man den Gefangenen nicht aufwecken muss oder Licht einschalten muss. Diese Beobachtung durchzuführen, ist für die Kollegen einfacher - einerseits. Andererseits ist es natürlich so, dass diese Dauervideobeobachtung für Inhaftierte schon eine Erschwernis ist. Das subjektive Gefühl ist natürlich, ich werde dauernd gesehen, egal was ich tue. Übrigens kann der Gefangene nicht sehen, ob die Kamera ein- oder ausgeschaltet ist, wenn da ein normaler Gefangener liegt, dann weiß der nicht, ob er beobachtet wird oder nicht.
domradio.de: Was muss man denn in den Anstalten ändern?
Berkenbrink: Grundsätzlich haben wir natürlich erst einmal das Thema, dass die Anstalten in Nordrhein-Westfalen teilweise und auch in Deutschland hoffnungslos veraltet sind. Unser derzeitiger Justizminister in NRW, Thomas Kutschaty, hat selber den Sanierungsbedarf der Gefängnisse nur für Nordrhein-Westfalen vor einiger Zeit auf zwei Milliarden Euro beziffert, was den baulichen Zustand angeht. Da reden wir nicht nur über Sicherheit, sondern vor allen Dingen auch über Hygiene und Sanitäranlagen, Duschen und all diese Dinge. Jetzt sagen Sie mal der Bevölkerung, wir brauchen zwei Milliarden Euro für die Sanierung unserer Gefängnisse! Wir reden über Zustände in Pflegeheimen, wir reden über die Situation, wie sehen unsere Schulen aus. Wenn Sie da als Steuerzahler sagen, jetzt nehmen Sie mal Geld in die Hand für die Sanierung von Gefängnissen, das kommt nicht als erstes, das kommt auch bei der Bevölkerung nicht unbedingt gut an. Gefangene haben nicht eine Lobby, wo man sagt, da müssen wir richtig Geld in die Hand nehmen, dass es denen besser geht, das ist nicht en vogue.
Das Interview führte Aurelia Plieschke (domradio.de)