Ein Kommentar zur aktuellen Debatte

Der Papst als Ehrenoberhaupt aller Christen?

Der evangelische Theologe Reinhard Frieling hat sich dafür ausgesprochen, den Papst als Ehrenoberhaupt aller Christen anzuerkennen. So könne der Traum von der Gemeinschaft aller Christen kann Wirklichkeit werden. Doch zu welchem Preis? Ein Kommentar von domradio.de-Redakteur Jan-Hendrik Stens.

Papst Benedikt XVI.: Einer für alle? (DR)
Papst Benedikt XVI.: Einer für alle? / ( DR )

Der protestantische Ökumeniker Reinhard Frieling wünscht sich den Papst als Ehrenoberhaupt aller Christen. Das ist grundsätzlich nichts neues. Haben doch schon zu früheren Zeiten einige bekannte Nicht-Katholiken zu erkennen gegeben, dass sie sich den Papst durchaus als eine Art "Sprecher der gesamten Christenheit" vorstellen könnten. Die Christenheit, so Frieling, könne sich so "kräftiger für benachteiligte Menschen einsetzen" und "effektiver für den Frieden zwischen den Völkern kämpfen". Keine Frage, auch Papst Benedikt XVI. hat sich im ersten Band seines Werkes Jesus von Nazareth einmal mit dem Gedanken eines Universal des Christentums, ja sogar der Religionen auseinandergesetzt, die sich, ohne die eigene Identität aufzugeben oder sich gegenseitig missionieren zu müssen, für eine Welt einsetzen, in welcher "Friede, Gerechtigkeit und Respekt vor der Schöpfung bestimmend sind". Das klänge doch gut, ist auch Benedikts Einsicht. Jesu Botschaft würde dadurch endlich universal angeeignet und sein Wort einen praktischen Inhalt gewinnen. Doch dann kommen die Zweifel:



"Aber wenn man näher hinsieht, wird man doch stutzig: Wer sagt uns eigentlich, was Gerechtigkeit ist? Was in der konkreten Situation der Gerechtigkeit dient? Wie Friede geschaffen wird? Bei näherem Hinsehen erweist sich das alles als utopistisches Gerede ohne realen Inhalt, sofern man nicht im Stillen Parteidoktrinen als von jedermann anzunehmenden Inhalt dieser Begriffe voraussetzt", schreibt Benedikt.



Der Papst als Sprecher einer Art "Gutmenschen-Religion"? Ist das nicht schon die Aufgabe der Vereinten Nationen, sich für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt einzusetzen? Nun geht Reinhard Frielings Wunsch nicht so weit, eine Art Kollektiv aller Weltreligionen zu gründen, sondern er schreibt von einer engeren Kooperation der christlichen Konfessionen, die ja immerhin Jesus Christus und die meisten von ihnen das Glaubensbekenntnis (sei es nun apostolisch oder nizäo-konstantinopolitanisch) als gemeinsames Fundament haben. Aber wie soll nun ein Papst, der für das Festhalten an der Apostolischen Sukzession und die Definition, was die Kirche in ihrem innersten ausmacht, so wie es die dogmatische Konstitution Lumen Gentium des II. Vatikanischen Konzils formuliert, steht, auch für die Christen sprechen, die diese Inhalte ablehnen? Die Konsequenz nennt Frieling selbst: Seine Vorstellungen sind mit radikalen Änderungen der Ämterstruktur in der katholischen Kirche verbunden, so wie sie Hans Küng bereits in der 70er Jahren vorgeschlagen hat. Das könnte nur ein neues Konzil bewerkstelligen. Aber selbst ein Konzil ist nicht Herr über die Glaubenswahrheiten der katholischen Kirche, zu denen auch der Primat des Papstes zählt.



Hintergrund:

Der evangelische Theologe Reinhard Frieling hat sich dafür ausgesprochen, den Papst als Ehrenoberhaupt aller Christen anzuerkennen. "Der Traum von der Gemeinschaft aller Christen kann Wirklichkeit werden, wenn Protestanten und Orthodoxe dem Papst die Rolle eines Ehrenoberhaupts der Christenheit antragen", schreibt er in einem Beitrag für die in Bonn erscheinende ZEIT-Beilage "Christ & Welt" anlässlich des bevorstehenden Deutschland-Besuches von Benedikt XVI.



"Der Papst kann und sollte bei dieser Vision eine charismatische Führungsrolle einnehmen", forderte der frühere Religionsprofessor. In außergewöhnlichen Situationen könne der Papst dann "im Namen der ganzen Christenheit" sprechen. Dies sei mitnichten eine Zumutung für protestantische Christen. "Das Christentum verträte seine Botschaft glaubwürdiger als eine in Tausende Kirchen gespaltene Religion", so Frieling. Das 500. Jubiläum der Reformation im Jahre 2017 sei der richtige Anlass, um diese Vision zu verwirklichen.



Laut Frieling ist Papst Benedikt XVI. wegen seines ökumenischen Engagements schon jetzt ein "Sprecher aller Christen". Allerdings müsste das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche auch Kompromisse machen: "Zugunsten einer neuen Führungsrolle müsste der Papst häufig auf eine hierarchische Durchsetzung seines gesetzgeberischen Anspruchs verzichten, wie Hans Küng schon 1974 vorschlug." Zugleich forderte Frieling die reformatorischen Kirchen auf, ihre "Selbstgenügsamkeit" aufzugeben und "mutig ökumenische Konsequenzen" zu ziehen.



Frieling war langjähriger Leiter des Konfessionskundlichen Instituts der evangelischen Kirche, ist emeritierter Professor für ökumenische Theologie in Marburg und Moderator der "Charta Oecumenica".