Der Duden dokumentiert Wörter des Jahrzehnts

Hüftgold für Frauenversteher

Sprache ist ständig im Fluss. Manche Wörter kommen schlicht aus der Mode. Denn wer spricht heute noch von der "Federbüchse" oder dem "Federmäppchen", in denen Schüler früher ihre Schreibfedern transportierten. Andere Begriffe machen eine steile Karriere - den "Wutbürger" etwa kannte vor wenigen Jahren noch keiner, auch die "Kopfpauschale" ist neu in den Wortschatz eingewandert.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Eine kleine Auswahl solcher neuer, frischer Wörter hat der Mannheimer Dudenverlag jetzt zum 100. Todestag von Konrad Duden auf den Markt gebracht. Der Schöpfer des ersten, deutschlandweit gültigen orthografischen Wörterbuches war am 1. August 1911, also am Montag vor 100 Jahren, gestorben. In dem 80 Seiten umfassenden Bändchen "Unsere Wörter des Jahrzehnts. 2000 bis 2010 - Von Abfrühstücken bis Zwischenparken" sind rund 500 zeittypische Begriffe versammelt, die in den vergangenen zehn Jahren neu in den Wortschatz des "Deutschen Universalwörterbuchs" aufgenommen worden sind.



Rund 135.000 Begriffe umfasst die jüngste Gesamtausgabe des Duden. Rund 10.000 sind im vergangenen Jahrzehnt dazu gekommen, wie der Leiter der Dudenredaktion, Werner Scholze-Stubenrecht, berichtet. Viele spiegeln politische Auseinandersetzungen oder gesellschaftliche Probleme - Begriffe etwa wie Ehrenmord, Dosenpfand oder Feinstaubplakette.



Ständig auf der Suche nach neuen Wörtern

Die Redaktion des Duden ist ständig auf der Suche nach neuen Wörtern. Computerprogramme durchkämmen große Mengen elektronischer Texte - Zeitungen, Romane, Reden und sogar Reparatur- und Bastelanleitungen - nach bislang unbekannten Begriffen. Treten sie in einer gewissen Häufigkeit und Streuung auf, werden sie zu Aufnahmekandidaten. "Unsere Textbasis bildet das Dudenkorpus, das mittlerweile rund zwei Milliarden Wortformen enthält", betont die Redaktion.



Das "Ampelmännchen" beispielsweise war ein Wackelkandidat. Aus der DDR kommend, sollte es im Zuge der europaweiten Vereinheitlichung abgeschafft werden, doch deutschlandweit halfen Fanklubs, es zu retten. Heute ist es ein erfolgreich vermarktetes Kultsymbol - und ein Fall für den Duden. Im Jahr 2000 wurde in Hamburg die erste "Babyklappe" in Deutschland eingerichtet. Die erste "Castingshow" startete ebenfalls 2000. Seit 2001 können homosexuelle Paare in Deutschland eine eingetragene "Lebenspartnerschaft" eingehen.



Manchmal helfen Prominente

Der Anteil des Englischen an den neuen Wörtern ist überraschend gering: Auf rund zehn Prozent der neu aufgenommenen Begriffe schätzt Scholze-Stubenrecht ihren Anteil. Von Blog bis Body-Mass-Index und von Flatrate bis Caterer reichen die Importe, die vor allem aus dem Bereich der Unterhaltungsindustrie und den Medien einfließen. Das Italienische liefert genießerische Begriffe wie Latte Macchiato oder Chai Latte, das Japanische finden mit Manga, einer Form des Comic, oder Sudoku Eingang in den Sprachschatz.



Manchmal sind es Prominente, die einem Wort zum Durchbruch verhelfen: Kanzler Helmut Kohl erwarb sich im Rahmen der Parteispendenaffaire große Verdienste um den Begriff "Bimbes" - ein aus der Gaunersprache stammendes, besonders in der Pfalz häufig verwendetes Wort für Geld, das zur der Abwicklung sogenannter "schmutziger Geschäfte" verwendet wird. Der Sauerländer Franz Müntefering, selbsternannter Experte für kurze Sätze, hat mit "Heuschreckenkapitalismus" ein ziemlich langes Wort geprägt.



Glaubt man dem Duden-Redaktionsleiter, sind es vor allem Substantive, die neu in die Sprache einwandern; Verben wie "fremdschämen" oder "podcasten" schaffen das seltener. Und wie Begriffe wie "Hüftgold", "Kopftuchmädchen", "Flip-Flops" oder "Frauenversteher" zeigen, scheuen sich die Deutschen nicht, durch Wortzusammensetzungen neue kreative Ausdrucksformen zu finden.