Kriminalität und Gewalt hemmen die Entwicklung in Afrika

Düstere Aussichten für den schwarzen Kontinent

Somalia. Immer wieder Somalia. Das Land am Horn von Afrika gilt inzwischen als Mutter aller gescheiterten Nationen. Dass Islamisten nun den Vereinten Nationen drohen und im Zusammenhang der Hungerkatastrophe von westlicher "Propaganda" sprechen, passt da nur allzu gut ins Bild.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Unregierbar ist Somalia geworden, so heißt es, nachdem Diktator Siad Barre 1991 gestürzt wurde, aus der Hauptstadt Mogadischu fliehen musste und seine potenziellen Nachfolger den Kampf um die Macht eröffneten. In die Schlagzeilen gelangt Somalia seither meist dann, wenn sich marodierende Milizen wieder einmal Gefechte liefern, Piraten vor der Küste ihr Unwesen treiben. Oder, wie jetzt gerade, eine schwere Hungersnot droht.



Für Garth lePere ist Somalia ein extremes Beispiel, aber kein Einzelfall für das, was er die "uncivil societies" in Afrika nennt.  Denn dunkle Gegenkräfte zur Zivilgesellschaft sieht der renommierte Politikwissenschaftler aus Südafrika nahezu überall am Werk: Von Tunis im Norden bis Kapstadt im Süden. Seine These, die er angehenden Führungskräften aus Entwicklungs- und Schwellenländern im Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn vorstellt, klingt wenig verheißungsvoll. "Wenn wir nicht schleunigst handeln, drohen länderübergreifende kriminelle Aktivitäten die Aussicht auf ein Wiedererstarken Afrikas zu untergraben."



Die Bedrohung für die öffentliche Ordnung in den Staaten des schwarzen Kontinents setzt sich laut Garth lePere aus mehreren Faktoren zusammen. Sieben Hauptkonfliktfelder hat der Forscher identifiziert: den illegalen Abbau von Rohstoffen, den oft mit ethnischen oder religiösen Motiven verbrämten Terror, das Piratenwesen, den Drogen- und Menschenhandel, den Zugang zu Kleinwaffen sowie dubiose Geldgeschäfte. Beispiel Kleinwaffen: Rund 100 Millionen davon sollen derzeit in Afrika im Umlauf sein. Sie dienen Hirtenvölkern in der Sahel-Zone beim Kampf um die immer rarer gesäten Weidegründe für ihr Vieh ebenso wie den somalischen Piraten, die sich inzwischen bis zu 1.600 Kilometer hinaus aufs offene Meer wagen.



Die "dunkle Seite" der Globalisierung

Dass die Konflikte und die dahinter stehenden Interessen längst nicht mehr lokal begrenzt sind, lehrt laut lePere ein Blick auf Guinea-Bissau. Der Politikwissenschaftler spricht vom "ersten Narco-Staat" Afrikas. Warum? Drogenkartelle aus Lateinamerika nutzen das Land an der westafrikanischen Küste, um von dort aus ihr Kokain weiter nach Europa und Nordamerika zu verschiffen. Amtssprache von Guinea-Bissau ist Portugiesisch - für die spanischsprachigen Bosse sicherlich ein zusätzliches Argument, um aus Gründen der schnelleren Verständigung ausgerechnet dort vor Anker zu gehen.



Weitaus wichtiger jedoch dürfte sein, dass die Mafia in dem kleinen Nachbarland des Senegal auf ein korruptionsanfälliges Regime und eine arme Bevölkerung stößt - beides ein idealer Nährboden für Gewalt und Kriminalität, wie lePere betont. So liegt Guinea-Bissau bei dem 169 Staaten umfassenden UN-Entwicklungsindex auf Platz 164. Gleichzeitig stehen die Spitzen von Armee und Politik in dem Ruf, mit den Drogenbaronen von der anderen Seite des Ozeans gute Geschäfte zu machen. So sprach das Oberste Militärgericht im vergangenen Jahr Marinechef Bubo Na Tchuto vom Vorwurf eines Putschversuchs frei. Woraufhin dieser umgehend ankündigte, wieder in seinen alten Job zurückzukehren. Das Problem dabei: Na Tchuto gilt zugleich als einer der wichtigsten einheimischen Drahtzieher des Drogenhandels.



Für lePere offenbaren solche Vorgänge die "dunkle Seite" der Globalisierung. Westliche Helfer fordert er auf, bei der Entwicklungszusammenarbeit verstärkt auf die Durchsetzung rechtsstaatlicher Grundsätze zu dringen. Ein Hoffnungsschimmer tut sich ausgerechnet in Somalia auf. Die islamistischen Al-Shabaab-Milizen haben angekündigt, angesichts der Hungersnot Unterstützung aus dem Ausland zuzulassen. Vielleicht bietet das ja auch einen Ansatzpunkt dafür, die einflussreiche Organisation, die vor allem den Süden des Landes terrorisiert, für Friedensgespräche zu gewinnen. Damit Somalia nicht auf Dauer unregierbar bleibt.