Ex-Ministerpräsident Stolpe wird 75

Kirchenmann mit Kontakten

Die Stasi hat ihn lange nicht losgelassen. Seine einstige Bildungsministerin Marianne Birthler hat er sich wegen seiner Kontakte zum DDR-Geheimdienst zur erbitterten Feindin gemacht. Auch andere gingen auf Distanz. Doch ob Stasi-Vorwürfe, das Desaster um die Lkw-Maut oder die Krebserkrankung bei seiner Frau und ihm selbst - er hat alles überstanden.

Autor/in:
Yvonne Jennerjahn
 (DR)

Am Montag (16.05.2011) wird Brandenburgs erster Ministerpräsident Manfred Stolpe 75 Jahre alt. Am 16. Mai 1936 wurde der SPD-Politiker im heute polnischen Stettin geboren. Die Flucht in den Westen beendete die Familie bereits in Greifswald. In der DDR wurde Stolpe Mitglied der FDJ, der Gesellschaft für Sport und Technik und bei der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft. "Ich habe bewusst in der DDR gelebt und mich früh auf das Leben dort eingestellt", schreibt er selbst über seine Jugend.



Nach dem Jura-Studium tritt Stolpe 1959 in den Dienst der evangelischen Kirche. Der Berufswunsch Anwalt sei ihm verwehrt geblieben, weil er nicht in der SED oder einer der anderen Parteien war, schreibt er. In der Kirchenverwaltung macht er schnell Karriere, 1969 wird er Leiter des Sekretariats des DDR-Kirchenbundes, 1982 Konsistorialpräsident in Ost-Berlin.



"Von Anfang an war es mein Auftrag bei der Kirche, mit den Staatsorganen zu reden", schreibt Stolpe über seine langjährige Arbeit als Verhandlungsführer der Kirche in der DDR. "Ich hatte keine Berührungsängste." Dabei sei es immer darum gegangen, was die Kirche für die Menschen tun könne. Er habe sich für Kinder eingesetzt, die wegen ihres christlichen Glaubens benachteiligt wurden, für politisch Inhaftierte und Ausreisewillige. Später wird man ihm die Kontakte vorwerfen.



Einfluss nehmen auf den Lauf der Dinge

Im Zuge der deutschen Vereinigung wechselt Stolpe in die Politik, um weiter Einfluss zu nehmen auf den Lauf der Dinge. Im Herbst 1990 gewinnt er in Brandenburg mit der SPD die Landtagswahl und wird Ministerpräsident der "Ampelkoalition" mit FDP und Bündnis 90/Grünen. Dann kommt die Stasi-Geschichte.



Die Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit hat Stolpe nie bestritten und sich auch öffentlich dazu bekannt. Doch dass er als "IM Sekretär" für die Stasi gearbeitet haben soll, das hat er zurückgewiesen. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags entlastet ihn. Der Streit über die Stasi-Kontakte geht bis vor das Bundesverfassungsgericht. Anders als der Bundesgerichtshof verbietet es die Aussage eines CDU-Politikers, Stolpe sei Stasi-IM gewesen.



Auch die evangelische Kirche prüft die Vorwürfe gegen ihren einstigen Chefjuristen. Stolpe habe einen Auftrag für "schwierige Verhandlungen mit staatlichen Stellen" gehabt, heißt es 1992 in einem Kirchenbericht. Dabei habe er den "konspirativen Entscheidungswegen" des Machtapparates der DDR "nachgespürt und sich auf diese Wege eingelassen". Möglicherweise habe er dabei "im Einzelfall seinen Auftrag überschritten", urteilt die Kirche. Eines stehe jedoch nicht infrage: "Manfred Stolpe war ein Mann der Kirche, nicht des MfS."



Kein Disziplinarverfahren

Die Evangelische Kirche in Deutschland sieht es drei Jahre später ähnlich. Zwar habe Stolpe von 1963 bis 1989 Kontakte zur Stasi unterhalten, die nach Art und Umfang "mit seinen Pflichten und Aufgaben als Kirchenbeamter nicht im Einklang standen", lautet der Beschluss. Ein Disziplinarverfahren wird "unter Berücksichtigung des gesamten Wirkens Dr. Stolpes" verworfen.



Die einen nehmen ihm seine Stasi-Kontakte und die Verleihung der DDR-Verdienstmedaille 1978 trotzdem weiter übel. Die anderen bewundern ihn als Landesvater der märkischen "Streusandbüchse", der den Menschen in Brandenburg in wechselnden politischen Konstellationen ein Heimatgefühl gab. Später wird er auch Versäumnisse einräumen, beim Umgang mit der DDR-Geschichte in Brandenburg etwa, beim Kampf gegen Neonazis oder bei der Politik fragwürdiger Großprojekte wie dem gescheiterten Luftschiffhafen Cargolifter.



2002 übergibt Manfred Stolpe die Regierungsgeschäfte an Matthias Platzeck - und wird bis 2005 Bundesverkehrsminister. "Hinterpommersche Sturheit und preußische Disziplin" hat ihm seine Ehefrau deshalb attestiert. Inzwischen hat er weitere ärztliche Behandlungen hinter sich und lässt trotzdem nicht vom öffentlichen Engagement. Darin widmet er sich nun ganz der Baukultur - als Vorsitzender des brandenburgischen Denkmalbeirates und im Kuratorium der Potsdamer Garnisonkirchenstiftung.