Ab Montag sind 48 Millionen Deutsche zur Sozialwahl aufgerufen

Wenn der Briefkasten zur Wahlurne wird

2011 ist ein Superwahljahr. Sechs Landtage werden gewählt. Außerdem stehen drei Kommunalwahlen im Kalender. Das Wahlkampffieber bleibt hoch. Dagegen nimmt von der größten Wahl kaum jemand Notiz: Bei der Sozialwahl werden die Parlamente der Sozialversicherungsträger gewählt.

Autor/in:
Dirk Baas
 (DR)

48 Millionen Wahlberechtigte erhalten ab dem 11. April per Post ihre Wahlunterlagen. Rentenversicherung und Ersatzkassen rühren laut die Werbetrommel, um die Wahlmüdigkeit zu vertreiben.



Bei der Gewerkschaft ver.di geht man ganz auf Nummer sicher. Ein buntes Faltblatt wirbt für den "SMS-Alarm zur Sozialwahl 2011" als elektronische Gedächtnisstütze: "Sie benötigen nur Ihr Handy, den Rest machen wir, Sie müssen dann nur noch wählen." Wer eine SMS an die Nummer 8 43 43 sendet und dabei "Sozialwahl, Vorname, Nachname und Postleitzahl" eintippt, erhält erst eine SMS-Info, wenn seine Wahlunterlagen versandt wurden. Eine Woche später fragt das Handy nach, "ob Sie schon gewählt haben".



Alle sechs Jahre finden Sozialwahlen statt, mit denen die Versicherten der Rentenversicherung und Mitglieder der Ersatzkassen Barmer GEK, Techniker Krankenkasse, DAK, KKH-Allianz und hkk ihre Vertreter in die Verwaltungsräte und die Vertreterversammlung schicken. 100.000 Briefkästen der Post werden zur Wahlurne.



Noch nicht mal jeder Dritte wählte zuletzt

Zumindest in der Theorie, denn die seit Jahren sinkende Wahlbeteiligung ist ein klares Indiz für Desinteresse an den Belangen der Sozialversicherungen. Machten 1974 noch 43,7 Prozent der Wahlberechtigten ihr Kreuzchen, so waren es 2005 nur noch 30,8 Prozent. Zum Vergleich: An der Bundestagswahl 2009 beteiligten sich immerhin 72,2 Prozent der Wahlberechtigten, doch auch das war ein Negativrekord.



Dem Bund der Steuerzahler sind vor allem die Kosten der Wahl ein Dorn im Auge. "Wir kritisieren in erster Linie unnötige Werbemaßnahmen. Gleichwohl ist die Wahl an sich ebenfalls kritikwürdig. Aus Beitrags- und Steuerzahlersicht wäre es deutlich günstiger, überhaupt keine Urwahlen abzuhalten", sagte Verbandspräsident Karl Heinz Däke dem epd. Mit der Sozialwahl suggerierten die Sozialversicherungsträger den Wahlberechtigten die Möglichkeit einer Mitbestimmung. "Doch tatsächlich hat die Selbstverwaltung weder auf die Beitrags- noch auf die Rentenhöhe einen Einfluss. Beides wird nämlich politisch festgelegt."



Auch andere Kritiker bemängeln, dass es der Selbstverwaltung in den Sozialversicherungen an Transparenz mangele und Zuständigkeiten für Laien nur schwer zu durchschauen seien. Bei den Krankenkassen fallen nur die Satzungsleistungen unter die Selbstverwaltung. Das trifft nur rund fünf Prozent aller Ausgaben, den Rest regelt der Gesetzgeber.



An Selbstkritik mangelt es nicht

Doch Herbert Rische, Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund, verteidigt die bestehenden Strukturen: "Der Gesetzgeber legt die Rahmenbedingungen für die Rentenversicherung fest. Die Selbstverwaltung füllt den Rahmen aus." Zum Beispiel, indem die Vertreterversammlung den Haushalt verabschiedet, über die Anlage des Vermögens entscheidet, die Geschäftsführung wählt und den Umfang der Rehabilitationsleistungen festlegt.



Hans-Peter Stute, Vorsitzender des Verwaltungsrates der DAK, will sich auch künftig als Versichertenvertreter in die Gesundheitspolitik einmischen: "Die Selbstverwaltung ist der Ort, wo das am besten möglich ist", sagt der Niedersachse. Eine wichtige Aufgabe sei die Reform der Pflegeversicherung. Zudem will sich Stute für die Abschaffung der Zusatzbeiträge einsetzen.



An Selbstkritik in Sachen Informationsfluss mangelt es nicht. Auf der Homepage der Versichertenvereinigung der Barmer GEK heißt es: "Richtig schlecht sind wir in der Berichterstattung über unsere Arbeit in Zeitungen, Rundfunk oder Fernsehen." Das liege auch daran, "dass wir keine Sensationen produzieren und in der Regel kooperativ mit dem Vorstand zusammenarbeiten". Das sei nun mal "nicht der Stoff, auf den die Presse wartet."