Kirchen sollen bei Suche nach neuem Energiekonsens helfen

Plötzlich Partner

Liegt es an den beängstigenden Bildern, die tagtäglich aus dem japanischen Reaktor Fukushima über den Bildschirm flimmern? Oder ist die von der Bundesregierung ausgerufene Suche nach einem neuen Energiekonsens für Deutschland den Landtagswahlen geschuldet, die Ende März in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz anstehen? Eindeutig beantworten lassen sich diese Fragen nicht. Tatsache jedoch ist, dass Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) für einen breiten Dialog wirbt. Und außer Gewerkschaften, Verbänden und Unternehmen auch die Kirchen ins Boot holen will. Es gelte, das Thema Kernkraft "aus der Kampfzone" herauszubringen, so die Ansage des Ministers.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Dabei hatte sich die katholische Kirche zuletzt mit Stellungnahmen eher zurückgehalten, als dieselbe Bundesregierung im Herbst 2010 eine Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Atommeiler beschloss. Er hätte sich bisweilen eine eindeutigere Positionierung gewünscht, bekennt beispielsweise der Theologe Jürgen Manemann vom Forschungsinstitut für Philosophie in Hannover (FIPH). Das von der katholischen Kirche geförderte Institut gehörte immerhin zu den Einrichtungen, die sich noch im vergangenen Sommer gegen die Verlängerung aussprachen.



Diese Forderung machen sich jetzt auch die deutschen Bischöfe zueigen, die derzeit zu ihrer Frühjahrstagung im westfälischen Paderborn zusammengekommen sind. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sprach sich dafür aus, den deutschen Weg zum Ausstieg aus der Atomkraft zu überprüfen. Der Freiburger Weihbischof Bernd Uhl, Vorsitzender der Arbeitsgruppe für ökologische Fragen der Bischofskonferenz, mahnte einen raschen Ausstieg an. Zugleich warnte er vor überstürzten Schritten. Aus einer Katastrophe dürfe keine katastrophale Politik für Umwelt, Wirtschaft und die sozialen Verhältnisse in Deutschland werden.



Aus der evangelischen Kirche kommen ähnliche Töne. "Eine Technik wie Atomkraft, die hundertprozentige Sicherheit erfordert, entspricht nicht dem Maß des Menschen", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Es könne nur eine Antwort geben: "Wir müssen so schnell wie möglich aus dieser Technik herauskommen." Wie genau der von Röttgen angestoßene Dialog aussehen solle, sei allerdings noch nicht deutlich, ergänzt EKD-Sprecher Reinhard Mawick. Grundsätzlich gelte jedoch: "Die evangelische Kirche freut sich immer über Dialogangebote aus der Politik."



Auch die katholische Kirche will sich Röttgens Anliegen nicht verschließen. Man sei "selbstverständlich bereit, an Gesprächen verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen über eine Neuausrichtung der Atompolitik in Deutschland mitzuwirken, wie sie der Bundesumweltminister vorgeschlagen hat", sagte etwa der Münchner Erzbischof Reinhard Marx. Er forderte "neue und schnellere Ausstiegsszenarien" aus der Atomkraft. Ähnlich äußerte sich der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten. Die Kirche könne insbesondere "ethische Aspekte" in die Debatte mit einbringen - und als Teil der Weltkirche "die schrecklichen Erfahrungen", die die Menschen derzeit in Japan machen müssten.



Dass die Stimme der Kirchen bei der Debatte um die Folgen der Atomkatastrophe besonders gefragt ist, zeigte sich in den vergangenen Tagen auch an ganz anderer Stelle. Die "Anliegenbücher" in den deutschen Autobahnkirchen seien voll von Einträgen zu dem Thema, berichtet Birgit Krause von der Akademie Bruderhilfe/Familienfürsorge, die die Arbeit der "Tankstellen für die Seelen" koordiniert. Die Debatte um die Zukunft der Kernenergie - sie ist bereits mitten in der Gesellschaft angekommen.