Vor der Baufassade in Münsters Bahnhofstraße kann man es nur erahnen: Wo jetzt noch Installateure und Maler sich die Klinke in die Hand geben, entsteht ein Haus für Kinder und Jugendliche in schweren Krisensituationen. Essstörungen wie Bulimie oder Magersucht, Persönlichkeitsstörungen und Probleme in der Schule sollen bald in diesem geschützten Raum behandelt werden. Denn bei massiven Störungen kann oft nur psychiatrische Therapie den Weg zurück in den Alltag ebnen.
Das "Centrum für seelische Gesundheit" der Alexianer-Krankenhausgesellschaft in Münster, die ihre Wurzeln im katholischen Krankenpflege-Orden der Alexianer-Brüdergemeinschaft hat, vereint unter einem Dach mehrere Hilfsbereiche: Betreutes Wohnen, Physio- und Ergotherapie, eine Tagesklinik und ein psychiatrisches Zentrum. Nach und nach werden bis zum Sommer die einzelnen Angebote in dem vierstöckigem Gebäude öffnen. "Wir haben rund drei Millionen Euro in das Projekt investiert", sagt Geschäftsführer Stephan Dransfeld. In Zukunft sollten hier Kinder- und Jugendliche von 3 bis 18 Jahren behandelt werden.
In der dritten Etage des Hauses herrscht schon reger Betrieb. Im "Centrum für Psychotherapie, Psychiatrie und Psychosomatische Medizin" arbeiten bereits vier Ärzte. "Hier sollen demnächst auch die Kinder- und Jugendlichen aus der Tagesklinik versorgt werden", sagt Dransfeld. Die Tagesklinik "Don Bosco" ist in der zweiten Etage angesiedelt und hat gerade erst eröffnet. Einen Patienten gibt es bereits, für fünf weitere laufen derzeit die Anträge. Die Tagesklinik soll eine Ergänzung zur ebenfalls neuen stationären Klinik im Alexianer Krankenhaus in Münster-Amelsbüren sein. Durch die zentrale Lage am Bahnhof ist das "Centrum" gut zu erreichen. Dransfeld geht davon aus, dass der Einzugsbereich "von Oldenburg bis Bonn" reichen wird.
Auch ein Schulzimmer gibt es
Bis zu zwölf junge Menschen können gleichzeitig therapiert werden. "Zu uns kommen Kinder mit Störungen und Fehlentwicklungen. Oft sind Erziehungsdefizite der Grund", sagt der leitende Arzt, Bernd van Husen. Die Räume der Tagesklinik sind in warmen Gelb- und Orangetönen gestrichen. "Die Bilder für die Wände sollen noch in der Maltherapie entstehen", so van Husen. Auch ein Schulzimmer gibt es in der Tagesklinik - in Kleingruppen soll hier bald unterrichtet werden, damit die jungen Patienten den Anschluss an die Schulfreunde nicht verpassen.
Wenn sich psychische Auffälligkeiten bei Heranwachsenden zeigen, sei umgehendes Handeln notwendig. "Essstörungen sind beispielsweise eine Ausdrucksform innerer Nöte und haben eine lange Vorlaufphase", so der Klinikleiter. Vor allem in Krisenzeiten bestehe Suizidgefahr. Van Husen kritisiert die derzeit in vielen Kliniken vorkommenden langen Wartezeiten bis zu einem Jahr. Im Gegensatz zur stationären Aufnahme würden die Patienten in der Tagesklinik nicht aus ihrem sozialem Umfeld gerissen, so der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Abends können die Patienten in der Regel zur ihrer Familie zurückkehren.
Waschsalon und Snack-Bar
Ungewöhnliches passiert im Erdgeschoss. Dieser Bereich soll für die Allgemeinheit geöffnet sein. Hier entstehen ein Waschsalon und eine Snack-Bar - beide als integrative Betriebe. Behinderte und nichtbehinderte Menschen sollen sich gemeinsam um die Laufkundschaft am Bahnhof kümmern. "Wir wollen Arbeitsplätze wie im richtigen Leben schaffen. Denn je normaler die Menschen arbeiten, desto leichter ist anschließend auch ihre Eingliederung in die Gesellschaft", sagt Dransfeld. Die dort arbeitenden Menschen wohnen entweder im betreuten Wohntrakt in der vierten Etage oder wohnen außerhalb.
"Viele der Angestellten würden dem Druck auf dem normalen Arbeitsmarkt gar nicht standhalten", sagt Dransfeld. Der Integrationsbetrieb im Erdgeschoss ist ein geschützter Bereich - so wie das gesamte Haus ein Schutzraum für die Sorgen und Ängste für Kinder- und Jugendliche mitten im Herzen von Münster werden soll.
Alexianer eröffnen "Centrum für seelische Gesundheit" in Münster
Therapie zwischen Waschsalon und Snack-Bar
Die Alexianer gehören zu den größten katholischen Trägern von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen in Deutschland. Nun wagt sich eines der Alexianer-Krankenhäuser an ein ihm bislang unbekanntes Arbeitsfeld: die Kinder- und Jugendpsychiatrie.
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