Koptische Christen leben am Rande der ägyptischen Gesellschaft

Sicher ist nur die Unsicherheit

Vor dem orthodoxen Weihnachtsfest hat die ägyptische Polizei ihre Sicherheitsvorkehrungen um koptische Gotteshäuser im Land verstärkt. Dennoch kommt es fast täglich zu Straßenschlachten mit zumeist jugendlichen Kopten, die seit dem tödlichen Anschlag auf eine Kirche in der Neujahrsnacht landesweit auf die Straßen gehen.

Autor/in:
Karin Leukefeld
 (DR)

Die Wucht der durch eine Autobombe ausgelösten Detonation war so stark, dass auch eine Moschee neben der Kirche beschädigt wurde. Unmittelbar nach dem Anschlag mahnte Staatschef Hosni Mubarak in einer Fernsehansprache zur Geschlossenheit. Er werde "den Kopf der Schlange abschlagen" und "den Terrorismus vernichten", so Mubarak weiter. Die ganze Nation sei bedroht, "Christen und Muslime müssen zusammenstehen".



Doch die Betroffenen schenken den offiziellen Erklärungen wenig Glauben. Mit entblößten Oberkörpern drohten Männer wütend mit Eisenstangen und riefen: "Mit unserer Seele und unserem Blut verteidigen wir das Heilige Kreuz" und "Oh Mubarak, das Herz der Kopten brennt". Als der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Osman Mohammed Osman, dem koptischen Papst Schenuda III. einen Kondolenzbesuch abstattete, bewarfen zornige Demonstranten ihn mit Steinen. Tags zuvor war bei einer Trauerfeier für die 21 Toten die Botschaft von Präsident Hosni Mubarak ausgebuht worden.



Das eher tolerante religiöse Klima des alten Ägypten hat sich erheblich verändert, seit in den letzten Jahrzehnten viele Ägypter aus wirtschaftlicher Not in die Golfstaaten und Saudi-Arabien zogen, um dort zu arbeiten. Diese Wanderarbeiter sind mit erheblich strengeren religiösen Vorstellungen zurückgekommen, als sie sie früher vertraten, bestätigen Beobachter. Darunter leiden die Christen. In den ländlichen Gegenden sind es überwiegend soziale und familiäre Konflikte, die zu Gewalt führen.



Nach dem Blutbad in Alexandria forderte die unabhängige Tageszeitung Al-Masri Al-Youm die Regierung auf, die sozialen, politischen und kulturellen Aspekte des Konflikts anzugehen. "Wir sollten unseren Kopf nicht in den Sand stecken", hieß es in einem Kommentar. Einige glaubten, diese Verbrechen würden von ausländischen Händen verübt, hieß es weiter. "Doch wenn die nationale Basis stark ist, kann keine ausländische Gruppe Feuer in unserer Mitte entfachen."



Nach ersten Ermittlungen macht das ägyptische Innenministerium lokale Islamisten für den Anschlag verantwortlich, die Kontakte zu einer irakischen El-Kaida-Gruppe unterhalten sollen. Dabei verweisen die Ermittler auf den Angriff auf eine Kirche in Bagdad Ende Oktober 2010. Damals hätten die Attentäter ägyptischen Kopten gedroht, die angeblich zwei Frauen gefangen hielten, die zum Islam konvertieren wollten.



Nun entzündet sich daran allerdings ein weiterer interreligiöser Streit. Ägypten stelle sich zwar als säkular dar, sei per Verfassung aber dem islamischen Recht der Scharia unterworfen. Die unterschiedliche Rechtslage führe zwangsläufig zu einer Ungleichbehandlung zwischen Christen und Muslimen in der Öffentlichkeit. Koptische Bischöfe und ihre Gemeinden entfremdeten sich so seit Jahrzehnten von der muslimischen Mehrheitsgesellschaft.



Obwohl die koptischen Christen seit fast 2.000 Jahren Kultur, Wirtschaft und Politik des Landes mitgeprägt haben, drängt sie die sich wandelnde ägyptische Gesellschaft immer mehr an den Rand.

Zahlreiche Kirchen in Kairo zeugen von ihrer langen Tradition. In der Gegenwart gehören sie dagegen immer häufiger zu den Ärmsten der Armen, etwa im Osten der Hauptstadt am Fuße des El Moqattam Berges.  Dort sammeln und trennen sie Müll. Aber es geht auch anders: Manche leben im luxuriösen Heliopolis als Nachbarn von Präsident Hosni Mubarak und sind in der gut situierten Mittelschicht auf der Nilinsel Zamalik zu finden. Ihre politische Präsenz ist in den letzten Jahrzehnten dennoch deutlich zurückgegangen. Waren 1942 noch 10 Prozent der Parlamentsabgeordneten Kopten, sind es heute nach unterschiedlichen Angaben zwischen 0,5 und 1,5 Prozent.