"Blaue Karte" soll Fachkräfte locken

Zuwanderung 2011

Es wird nicht viel Zeit vergehen im neuen Jahr, bis die Dauer-Debatte der zurückliegenden Monate über eine gesteuerte Zuwanderung wieder losgehen wird. Zum einen sind sich Union und FDP nach wie vor nicht darüber einig, nach welchen Kriterien ausländische Fachkräfte Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten sollen. Zum anderen muss die Bundesregierung drei EU-Richtlinien umsetzen, die das Aufenthaltsgesetz und die Beschäftigung von Ausländern betreffen.

 (DR)

Schon im Januar wird das Kabinett den Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinien voraussichtlich verabschieden. Besonderes Augenmerk gilt der Blue Card: Hochqualifizierten Fachkräften aus Staaten außerhalb der EU ("Drittstaaten") soll mit der "Blauen Karte" ein befristeter Aufenthalt samt Arbeitserlaubnis in der Europäischen Union ermöglicht werden. Mitreisende Ehepartner erhalten nach dem bislang bekannt gewordenen Entwurf zwar eine Aufenthalts-, aber keine Arbeitserlaubnis.



Zwei wichtige Fragen sind bislang ungeklärt: die Festlegung auf ein Mindestgehalt und die Vorrangprüfung. Voraussetzung für die Erteilung der Blue Card sollte ein Gehalt in Höhe des Anderthalbfachen des durchschnittlichen Bruttojahreseinkommens sein. Das wären in Deutschland rund 48.000 Euro. Während das Arbeits- und das Bildungsministerium dies befürworten, lehnen die anderen beteiligten Ressorts das ab, verlautete aus Regierungskreisen. Würde die Vorrangprüfung auch für potenzielle Blue-Card-Einwanderer gelten, müsste zunächst klar gestellt werden, ob es für den Arbeitsplatz auch einen deutschen Bewerber gibt. Auch dieser Punkt wird noch Gegenstand der Koalitionsgespräche werden.



So sehr die Wirtschaft nach ausländischen Fachkräften ruft, so groß ist ihre Kritik an der Blue Card. Beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag wird die deutsche Umsetzung als zu restriktiv kritisiert. Der IT-Branchenverband Bitcom hält die Blue Card für zu bürokratisch, weil alle Tücken des deutschen Aufenthaltsgesetzes weiter gelten.



Rückführungs- und die Sanktionsrichtlinie

Neben der Richtlinie für Hochqualifizierte muss die Bundesregierung auch die sogenannte Rückführungs- und die Sanktionsrichtlinie in deutsches Recht umsetzen. Mit der Sanktionsrichtlinie soll die illegale Beschäftigung von Ausländern wirksamer bekämpft werden. Opfer solcher unrechtmäßigen Beschäftigungsverhältnissen sollen eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, damit sie als Zeugen im Strafverfahren mitwirken können. Zwei neue Straftatbestände weiten zudem die Haftung der Arbeitgeber aus.



Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält die Umsetzung der Sanktionsrichtlinie für unzureichend. Da etwa der Arbeitgeberbegriff nicht definiert werde, bestünden Schlupflöcher, heißt es in einer Stellungnahme des DGB zum Gesetzentwurf. Auch die Kosten, die als Sanktion auf den Arbeitgeber zukämen, seien unzureichend.



Um Ausländer, die sich illegal in Deutschland aufhalten oder ausreisepflichtig sind, geht es in der dritten Richtlinie, deren Umsetzung bereits überfällig ist: der Rückführungsrichtlinie. Damit sollen EU-weit rechtliche Mindeststandards bei der Abschiebung von Ausländern geschaffen werden. Ausländer, die Deutschland verlassen mussten, dürfen maximal fünf Jahre lang nicht wieder einreisen.



Die Abschiebehaft soll im Regelfall bis zu drei Monate dauern, darf aber im Höchstfall 18 Monate betragen. Diese Regelung übernahm die EU von Deutschland. Bei Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl stößt sie auf massive Kritik. Die Mindeststandards seien völlig unzureichend, heißt es einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf. Zudem fehlten ein Verbot der Inhaftierung von Minderjährigen sowie eine staatliche Überwachung der Mindeststandards durch ein Monitoring-System. Pro Asyl fordert eine Überarbeitung des "mangelhaften" Gesetzentwurfes.



Die Richtlinie sorgte schon bei ihrer Verabschiedung im Europäischen Parlament im Juni 2008 europaweit für Proteste und Unterschriftenkampagnen. Auch der deutsche Gesetzentwurf für die Umsetzung der drei EU-Richtlinien wird Diskussionen verursachen.