EU-Staaten einigen sich bei Scheidungen auf gemeinsame Regeln

Weniger Hürden

Als Ermutigung zur Scheidung wollen die EU-Justizminister ihre Einigung in Brüssel nicht verstehen. Aber wenn Paare sich schon zur Trennung entschlossen hätten, sollten sie nicht auch noch vor hohen bürokratischen Hürden stehen, hieß es. Und zudem solle dafür gesorgt werden, dass nicht der schwächere Partner vom stärkeren übervorteilt werden.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Bislang galt bei grenzüberschreitenden Scheidungen zumeist das "Windhund-Prinzip". Wer zuerst vor Gericht ging, bestimmte damit darüber, das Recht welchen Landes angewendet wurde. Klar, dass scheidungswillige Partner dabei überprüften, wo ihnen die größten Vorteile entstehen könnten. Einen Ausdruck von Bürgernähe sieht Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) daher in der Reform vom Freitag (03.12.2010).



Derzeit 14 EU-Staaten werden künftig gemeinsam festgelegte Regeln haben, das Recht welchen Landes bei einer Scheidung angewendet wird - Deutschland macht mit. Für grenzüberschreitende Scheidungen in diesen Ländern wird es zunächst die Wahlmöglichkeit der Ehepaare geben. Sie können gemeinsam festlegen, dass die Gesetze etwa ihres Wohnsitzlandes oder des Landes, dessen Staatsbürger sie sind, bei der Scheidung angewendet werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass sie über die Konsequenzen ihrer Wahl informiert sind.



Einigen sie sich nicht, gibt es künftig eine klare Hierarchie, welches Scheidungsrecht zur Anwendung kommt. Das können die Gesetze des Wohnortslandes sein, die des letzten gemeinsamen Wohnorts, sollten sie inzwischen in unterschiedlichen Staaten leben, oder das Gesetz des Landes, deren Staatsangehörigkeit sie haben.



2007 EU-weit rund eine Million Scheidungen

Der Anteil grenzüberschreitender Ehen in der EU steigt. Nach Angaben der EU-Kommission wurden allein 2007 EU-weit rund eine Million Ehen geschieden; mehr als jede achte hatte einen Auslandsbezug - sei es, dass die beiden Eheleute unterschiedliche Staatsangehörigkeiten hatten, sei es, dass sie gemeinsam im Ausland wohnten. Die meisten Scheidungen gemischtnationaler Ehen gab es demnach in Deutschland mit 34.100.



Ganz ohne rechtliche Probleme wird es allerdings auch in Zukunft sicherlich nicht zugehen. Was etwa, wenn einer der Betroffenen aus einem der an der Neuregelung teilnehmenden Länder stammt und der andere nicht? Oder wenn zwei EU-Bürger in einem Staat leben, der sich nicht beteiligt? In diesen Fällen müssen die im internationalen Privatrecht üblichen Klauseln geprüft werden - Arbeit für Anwälte gibt es also weiter genug. Immerhin äußerten EU-Diplomaten die Erwartung, dass mindestens vier bis fünf EU-Staaten beim Bürokratieabbau bei Scheidungen mitmachen werden. Fristen dafür gibt es nicht. Aber die Chancen stünden gut, dass es bis zum Inkrafttreten 18 Monate nach der formellen Verabschiedung so weit sei, hieß es.



Regelung gilt nicht für die ganze EU

Andere mögliche Streitfälle wurden bereits im Vorfeld ausgeräumt. So ist festgeschrieben, dass die jeweiligen nationalen familienrechtlichen Regelungen nicht angetastet werden. Das heißt etwa, polnische Gerichte können sich weigern, über die Scheidung eines in Belgien standesamtlich getrauten homosexuellen Paares zu befinden. Auch Richter aus Malta, wo Scheidung verboten ist, werden durch die Regelung nicht gezwungen, entsprechende Urteile zu verhängen.



Dass die Regelung nicht für die ganze EU gilt, ist dem Widerstand Schwedens geschuldet. Stockholm hatte einen Vorstoß der EU-Kommission aus dem Jahr 2006 blockiert. Die Schweden wollten nicht, dass Bürger ihres Landes unter Umständen einem Scheidungsrecht unterworfen würden, das weniger liberal ist als das eigene. Die notwendige Einstimmigkeit war nicht zu erzielen.



Erstmals haben sich die EU-Staaten deswegen darauf verständigt, das Mittel der "verstärkten Zusammenarbeit" anzuwenden, bei denen - mit Genehmigung aller - mindestens acht von ihnen gemeinsame Festlegungen treffen. Das ist laut EU-Vertrag nur "als letztes Mittel" zulässig, wenn die angestrebten Ziele sonst nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums verwirklicht werden können. Und das, befanden die EU-Verantwortlichen, war hier gegeben.