Afrikas Katholiken diskutieren über das Kondomverbot

Letzte Instanz eigenes Gewissen

Das Klischee des "Aids-Kontinents" haftet Afrika seit Jahren an. Nirgendwo sonst auf der Welt verbreitet sich das tödliche Virus so rasant. Dazu trage, so meinen Kritiker, auch die katholische Kirche mit ihrem rigiden Kondomverbot bei. Sie begrüßen daher die vielbeachteten Äußerungen von Papst Benedikt XVI. über mögliche Ausnahmen. Viele afrikanische Katholiken selbst bezweifeln allerdings einen Rückgang der HIV-Neuinfektionen - und halten sogar die Aussagen des Kirchenoberhauptes für gewagt und fehlinterpretiert.

 (DR)

Malawi wird gern übersehen. Das kleine Land mit den knapp 15,5 Millionen Einwohnern wirkt weder aufregend noch attraktiv - kein Urlaubsparadies wie Nachbarland Tansania und kein Rohstofflieferant wie Sambia. In die Schlagzeilen gerät es nur, wenn US-Popstar Madonna ein Waisenkind adoptiert und versucht, die westliche Welt zu Tränen zu rühren. Doch Malawi hängt noch ein weiteres Klischee an:  Es ist "Aids-Land". Wie viele Menschen tatsächlich infiziert sind, lässt sich ebenso wenig sagen wie für den Rest des Kontinents.  Schätzungen sprechen von zwölf Prozent aller Erwachsenen; mehr als eine Million Kinder sollen mittlerweile als Aids-Waisen leben.



Doch ändern würde sich das auch mit Kondomen nicht, ist George Buleya, Generalsekretär der Malawischen Bischofskonferenz, überzeugt. Deshalb will er auch die Aussagen des Papstes präzisieren. "Die katholische Kirche hat keineswegs eine Kehrtwende gemacht", zitiert ihn die Tageszeitung "Nyasa Times". Die Aussage des Papstes sei "kein Freifahrschein für Kondome". Stattdessen solle der Kontinent weiter auf die sogenannte ABC-Strategie setzen. A steht für "abstinence" (Enthaltsamkeit), B für "be faithful" (sei treu) - und erst an dritter Stelle komme das C für "condom" (Kondom).



Deutliche Worte auch aus dem Nachbarland: "Tansania hält an seiner Anti-Kondom-Linie fest", sagt Methodius Kilaini, Weihbischof in der Diözese Bukoba am Victoriasee. Eine Lockerung scheint hier undenkbar. Ohnehin sei die Aussage des Papstes, Kondome bei männlichen Prostituierten zu tolerieren, falsch interpretiert worden

- vor allem von HIV-Aktivisten. Sie hätten lange auf eine Kursänderung gewartet und ließen laut Tageszeitung "The Citizen" nun die Spekulationen blühen.



Mehrere nichtstaatliche Organisationen und Menschenrechtsaktivsten begrüßen indes die stückweite Öffnung. Einer von ihnen ist David Kamau, Leiter der kenianischen Bewegung für bessere Behandlungsbedingungen von HIV- und Aids-Patienten. Der Papst habe "ein Stück Realität akzeptiert", sagte er dem kenianischen Fernsehen. Das Prinzip der Enthaltsamkeit funktioniere einfach nicht immer. Wenn die Kirche es nicht schaffe, ihre Mitglieder von Werten wie Moral und Enthaltsamkeit zu überzeugen, dann sei es ein konsequenter Schritt, den Gebrauch von Kondomen zuzulassen.



Dazu scheinen Südafrikaner jedenfalls fast an jeder Ecke aufgefordert zu werden. Vor allem in öffentlichen Gebäuden in den Großstädten Kapstadt, Johannesburg, Durban und Pretoria hängen und stehen überall Automaten mit kostenlosen Präservativen. Dennoch musste das Gesundheitsministerium Mitte des Monats mitteilen, dass fast jede dritte Schwangere HIV-positiv getestet worden sei. Die Studie gilt als repräsentativ; rund 34.000 Frauen nahmen teil.



Welche Schicksale, menschliches Elend, Leid und Stigmatisierung hinter solchen Zahlen stecken, weiß Schwester Alison Munro, die HIV- und Aids-Beauftragte der Südafrikanischen Bischofskonferenz. Zu der Aussage des Papstes will sich die Ordensfrau allerdings nicht direkt äußern. "Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen setzen wir auf präzise Informationen über die katholische Lehre", betont sie. Dazu gehörten Enthaltsamkeit vor und Treue während der Ehe. Doch es müsse auch Hinweise zum Gebrauch von Kondomen für all jene geben, die möglicherweise ungeschützten Geschlechtsverkehr haben und sich infizieren könnten. Die letzte Instanz? Das sei das eigene Gewissen:  "Auf dieser Grundlage muss jeder die Entscheidung schließlich selbst treffen", meint Schwester Alison.