Auszüge aus Peter Seewalds Interview-Buch "Licht der Welt"

"Wenn die Gefahr groß ist, darf man nicht davonlaufen"

Am Dienstag ist im Vatikan das Interview-Buch "Licht der Welt" mit Papst Benedikt XVI. vorgestellt worden. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert Auszüge aus dem Band, der von dem Journalisten Peter Seewald im Verlag Herder veröffentlicht wurde.

 (DR)

Zur Situation der Kirche weltweit:



Die Zahl der Neupriester ist in den letzten Jahren weltweit gestiegen, auch die Zahl der Seminaristen. Wir erleben auf dem europäischen Kontinent nur eine bestimmte Seite und nicht auch die große Dynamik des Aufbruchs, die anderswo wirklich da ist (...). (S.

26)



Zur Aufhebung der Exkommunikation der Piusbruderschaftsbischöfe:



Aus dem einzigen Grund, dass sie ohne päpstlichen Auftrag geweiht worden waren, wurden sie exkommuniziert; und aus dem einzigen Grund, dass sie nun eine Anerkennung des Papstes aussprachen - wenn sie ihm auch noch nicht in allen Punkten folgen -, wurde ihre Exkommunikation zurückgenommen. Das ist an sich ein ganz normaler rechtlicher Vorgang. Wobei ich sagen muss, dass hier unsere Pressearbeit versagt hat. Es wurde nicht genügend erklärt, warum diese Bischöfe exkommuniziert worden waren und warum sie nun, schon aus rein rechtlichen Gründen, von der Exkommunikation losgesprochen werden mussten. (S.37)



Zur kirchlichen Reaktion auf Missbrauchsfälle:



Wir haben auf die Sache in Amerika sofort mit erneuerten, verschärften Normen reagiert. Zudem wurde die Zusammenarbeit zwischen der weltlichen und der kirchlichen Justiz verbessert. Ob es dann Aufgabe Roms gewesen wäre, allen Ländern eigens zu sagen:

Schaut, ob es auch bei euch so ist? Vielleicht hätten wir das tun sollen. Für mich jedenfalls war es eine Überraschung, dass der Missbrauch auch in Deutschland in dieser Größenordnung existierte.

(S. 44)



Zur Frage, ob der Papst wegen der Missbrauchskrise an Rücktritt dachte:



Wenn die Gefahr groß ist, darf man nicht davonlaufen. Deswegen ist das sicher nicht der Augenblick, zurückzutreten. Gerade in so einem Augenblick muss man standhalten und die schwere Situation bestehen.

(...) Zurücktreten kann man in einer friedlichen Minute, oder wenn man einfach nicht mehr kann. Aber man darf nicht in der Gefahr davonlaufen und sagen, es soll ein anderer machen. (S. 47)



Grundsätzlich zur Frage eines Papstrücktritts:



Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis kommt, dass er physisch, psychisch und geistig den Auftrag seines Amtes nicht mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch eine Pflicht, zurückzutreten. (S. 47)



Zu Zölibat und Ehe:



Wie können wir junge Menschen wieder zum Zölibat erziehen? Wie können wir die Priester stützen, dass sie ihn so leben, dass er auch ein Zeichen bleibt in dieser verworrenen Zeit, in der ja nicht nur der Zölibat, sondern auch die Ehe in einer großen Krise ist? Viele behaupten, die monogame Ehe gebe es schon gar nicht mehr. Es ist eine Riesen-Herausforderung, beides, Zölibat wie Ehe, zu stützen und neu zu erarbeiten. Die monogame Ehe gehört zum Fundament, auf dem die Zivilisation des Westens beruht. Wenn sie zusammenbricht, bricht Wesentliches unserer Kultur zusammen. (S.58)



Zur Absage an ein baldiges Konzil:



Wir haben insgesamt über 20 Konzilien gehabt, es wird sicher irgendwann wieder eines geben. Im Augenblick sehe ich die Voraussetzungen dafür nicht. Ich glaube, dass im Moment das richtige Instrument die Bischofssynoden sind, in denen der ganze Episkopat vertreten und sozusagen auf Suchbewegung ist, die ganze Kirche beieinanderhält und sie zugleich vorwärtsführt.(S.86)



Zur Lage der Kirche in Deutschland:



Ja, die Herde ist bedrängt, und wenn ich selber kommen kann, will ich es gerne tun. (S. 145)



Zu Kondomen:



Das heißt, die bloße Fixierung auf das Kondom bedeutet eine Banalisierung der Sexualität, und die ist ja gerade die gefährliche Quelle dafür, dass so viele Menschen in der Sexualität nicht mehr den Ausdruck ihrer Liebe finden, sondern nur noch eine Art von Droge, die sie sich selbst verabreichen. (...) Es mag begründete Einzelfälle geben, etwa wenn ein Prostituierter ein Kondom verwendet, wo dies ein erster Schritt zu einer Moralisierung sein kann, ein erstes Stück Verantwortung, um wieder ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass nicht alles gestattet ist und man nicht alles tun kann, was man will. Aber es ist nicht die eigentliche Art, dem Übel der HIV-Infektion beizukommen. Diese muss wirklich in der Vermenschlichung der Sexualität liegen. (S. 146)



Zur Pille:



Wenn man Sexualität und Fruchtbarkeit grundsätzlich voneinander trennt, wie es durch die Anwendung der Pille geschieht, dann wird Sexualität beliebig. Dann sind in der Folge auch alle Arten von Sexualität gleichwertig. Dieser Auffassung, die die Fruchtbarkeit als etwas anderes betrachtet, womöglich so, dass man die Kinder rational produziert und sie nicht mehr als ein natürliches Geschenk sieht, ist ja auch sehr schnell die Gleichbewertung der Homosexualität gefolgt. (...) Es ist ja bekannt, dass sie [die Kirche] die natürliche Empfängnisregelung bejaht, die nicht nur eine Methode ist, sondern ein Weg. Denn sie setzt voraus, dass man Zeit füreinander hat. Dass man in einer Beziehung lebt, die von Dauer ist. Und das ist etwas grundlegend anderes, als wenn ich ohne innere Bindung an eine andere Person die Pille nehme, um mich schnell der nächstbesten Bekanntschaft hinzugeben. (S. 175)



Zur Homosexualität:



(...) Die Evolution hat die Geschlechtlichkeit zum Zweck der Reproduktion der Art hervorgebracht. Das gilt auch theologisch gesehen. Der Sinn der Sexualität ist, Mann und Frau zueinander zu führen und damit der Menschheit Nachkommenschaft, Kinder, Zukunft zu geben. Das ist die innere Determination, die in ihrem Wesen liegt.

Alles andere ist gegen den inneren Sinn von Sexualität. (...) Wenn jemand tiefsitzende homosexuelle Neigungen hat - man weiß bislang nicht, ob sie wirklich angeboren sind oder in frühkindlicher Zeit entstehen - (...) dann ist dies für ihn eine große Prüfung, so wie einen Menschen auch andere Prüfungen belasten können. Aber das bedeutet nicht, dass Homosexualität dadurch moralisch richtig wird, sondern sie bleibt etwas, das gegen das Wesen dessen steht, was Gott ursprünglich gewollt hat. (S. 180)