ZDF-Porträt über Hildegard von Bingen

Visionärin, Theologin, Naturwissenschaftlerin

Bis heute befassen sich Wissenschaftler mit Hildegard von Bingen. Die faszinierende Frau und Nonne ist auch in der Bevölkerung ist sie unvergessen. Das ZDF widmet ihr die dritte Folge der Dokumentarreihe über große Deutsche am Sonntagabend.

Autor/in:
Monika Herrmann-Schiel
 (DR)

Damit ist die Visionärin, Naturwissenschaftlerin, Komponistin und Theologin die erste Frau überhaupt, die im Rahmen dieser Fernsehreihe porträtiert wird. Ein Porträt, das die Zeitumstände stets im Blick behalten muss:



Vor 912 Jahren wurde Hildegard von Bingen in Bermersheim im heutigen Rheinland-Pfalz als zehntes Kind einer adligen Familie geboren. Es ist eine Zeit, in der Frauen verheiratet werden, Kinder bekommen oder - wenn sie adlig sind - oft ins Kloster gehen, um dort zu beten und zu arbeiten. In jedem Fall haben sie sich unterzuordnen und zu schweigen. Bildung oder gar öffentliches Auftreten sind für sie nicht vorgesehen. Dass eine Frau sich bildet, eigene Gedanken entwickelt, sie aufschreibt, Visionen öffentlich macht, predigt und weithin bekannt wird, ist fast undenkbar.



In Gottes Schöpfung sieht sie ein Geschenk

In vielen nachgestellten, fiktiven Szenen der Dokumentation will der Film ein möglichst lebendiges Bild der ungewöhnlichen Frau zu zeichnen. Ergänzt werden die Szenen durch Ausführungen von Wissenschaftlern und Historikern sowie Miniaturen aus ihren Büchern. Der Zuschauer ist dabei, als am Allerheiligentag 1112 das Mädchen dem Kloster Disibodenberg übergeben wird. Von nun an lebt sie in der Frauenklause des Benediktinerklosters. In diesen Jahren muss sie eine umfassende Bildung erhalten haben.



Eine wichtige Lehrerin war für sie die Magistra Jutta von Sponheim. Im Gegensatz zur asketischen Jutta ist Hildegard lebensbejahend. In Gottes Schöpfung sieht sie ein Geschenk, das der Mensch dankbar genießen, hüten und bewahren sollte. Früh hat sie Visionen, über die sie öffentlich spricht. Das setzt sie großer Gefahr aus, denn vielen der geistlichen, mächtigen Männern erscheint eine Frau, die sagt, Gott spräche zu ihr, unglaubwürdig und vom Teufel besessen.



Manche Aussagen wirken noch heute prophetisch

Hildegard ist beinahe 50 Jahre alt - ein für die damalige Zeit recht hohes Alter -, als sie in Rupertsberg ein eigenes Kloster begründet.  Beim Volk war sie gefragt wegen ihrer Erkenntnisse über die Heilkraft der Pflanzen. Sorgfältig hat sie diese untersucht und ihre Wirkungsweisen beschrieben. Noch immer erforschen Wissenschaftler manche Rezepturen Hildegards. Für sie war die Natur das Spiegelbild der göttlichen Weltordnung, deshalb warnte sie davor, diese Natur zu zerstören.



Manche ihrer Aussagen wirken noch heute prophetisch. Die soziale Ordnung ihrer Zeit nimmt sie jedoch als gegeben hin. Adlige sind Adlige und Bauern eben Bauern. Hildegard mischte sich zwar ein. Doch sie rebellierte weder gegen weltliche Fürsten noch gegen den Papst.



Die Dokumentation bringt vieles zur Sprache, was im landläufigen Hildegard-Bild seltener vorkommt, so die in ihren Büchern entdeckte ungewöhnliche und rätselhafte Kunstsprache, die "lingua ignota" oder die detaillierten Beschreibungen des menschlichen Körpers, wozu auch die vermutlich erste Schilderung des weiblichen Orgasmus gehört. So gibt der Film viele Anstöße, sich mit dem Werk und der großen Frau dahinter zu befassen.



Schon kurz nach ihrem Tod 1179 im hohen Alter von 81 Jahren, beantragten die Nonnen ihres Klosters Hildegards Heiligsprechung. Das offizielle Verfahren wurde zwar nach vielen Jahrzehnten eingestellt, dennoch fand Hildegard Aufnahme in den römischen Heiligenkalender. Für die meisten ihrer Verehrerinnen und Verehrer ist und bleibt sie die heilige Hildegard.



Hinweis: "Die Deutschen: Hildegard von Bingen und die Macht der Frauen". Film von Friederike Haedecke, ZDF, So 21.11, 19.30 Uhr. Die Sendung wird mit Untertiteln für Hörgeschädigte ausgestrahlt.