Das polnische Parlament berät über künstliche Befruchtungen

Kraftprobe zwischen Regierung und Kirche

Für Fortpflanzungs-Mediziner ist Polen ein Paradies. Alles ist erlaubt. Ärzte dürfen beliebig viele menschliche Eizellen im Reagenzglas befruchten, einfrieren oder vernichten. Wer will, kann sein Kind sogar mit Hilfe einer Leihmutter bekommen. Es fehlt an gesetzlicher Regeln für die künstliche Befruchtung. Das soll sich jetzt ändern.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Nach jahrelangem Zögern der Politiker liegen dem polnischem Parlament seit dieser Woche sechs konkurrierende Gesetzentwürfe vor. Und schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Debatte über Retortenbabys so scharf geführt wird wie einst um das 1993 beschlossene, strenge Abtreibungsrecht. Anders als damals scheint diesmal kein breiter Kompromiss zustande zu kommen - zu groß ist die Zahl der radikalen Befürworter einerseits und der extremen Gegner der künstlichen Befruchtung andererseits, der sogenannten In-vitro-Fertilisation. Allerdings hoben die Parteispitzen den Fraktionszwang auf. Die Abgeordneten sollen frei nach ihrem Gewissen entscheiden.



Auf der einen Seite fordert die rechtskonservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) Haftstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren für jeden, der im Labor Embryonen erzeugt, mit ihnen experimentiert oder sie vernichtet. Polens rechtsliberaler Ministerpräsident Donald Tusk und offenbar die meisten Abgeordneten seiner Partei Bürgerplattform (PO) wollen der künstlichen Befruchtung dagegen endgültig zum Durchbruch verhelfen. Bislang können sich nur wohlhabende Paare diese 2.500 Euro teure Methode leisten. Das sei ungerecht, argumentiert Tusk. Wer Probleme habe, auf natürliche Weise ein Kind zu bekommen, solle künftig die In-vitro-Methode nicht mehr aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. Die Kosten solle die Krankenkasse übernehmen. Das verlangen auch die oppositionellen Sozialdemokraten.



Konflikt vorprogrammiert

Der Konflikt mit der katholischen Kirche scheint vorprogrammiert. Die polnischen Bischöfe verlangten Anfang der Woche in einem Schreiben an Tusk, Staatspräsident Bronislaw Komorowski und weitere bedeutende Politiker ein Verbot der künstlichen Befruchtung. Für Aufsehen sorgte besonders, dass sie darin die In-vitro-Fertilisation mit pseudomedizinischen Verfahren der Nationalsozialisten verglichen. Die Methode sei die "jüngere Schwester der Eugenik" und wecke die "schlimmsten Erinnerungen aus der nicht so fernen Vergangenheit", mahnten der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Jozef Michalik, und der Leiter der kirchlichen Bioethik-Kommission, Erzbischof Henryk Hoser. Dabei verweisen sie auf die bei dem Verfahren übliche Selektion von im Reagenzglas erzeugten Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib. Die Bischöfe empfahlen zugleich ungewollt kinderlosen Ehepaaren eine Adoption.



Empört reagierten PO und Sozialdemokraten auf die von Hoser ausgesprochene Warnung, Politiker, die das Töten oder Einfrieren von Embryonen erlaubten, stünden "automatisch außerhalb der Kirchengemeinschaft". Das sei "Erpressung", erklärten sie. Der PO-Fraktionsvorsitzende Tomasz Tomczykiewicz betonte, in Westeuropa sei die künstliche Befruchtung gesetzlich erlaubt worden, "ohne dass ein katholischer Politiker deswegen exkommuniziert wurde". Es wäre tatsächlich ein Novum, wenn ein europäischer Regierungschef aus der Kirche ausgeschlossen würde.



Doch soweit wird es wohl nicht so schnell kommen. Denn andere Bischöfe relativierten Hosers Aussage. Es gebe "keinen Krieg mit der Regierung", versicherte der Lubliner Erzbischof Jozef Zycinski. Und der Danziger Alterzbischof Tadeusz Goclowski meinte, über eine Exkommunikation könne nur Papst Benedikt XVI. entscheiden. Den Entzug von Sakramenten wie der Kommunion halten Beobachter als wahrscheinlicheres Sanktionsmittel als einen Kirchenausschluss.