Auch Walter Brandmüller wird Kardinal

Historiker mit Einfluss

An einer Papstwahl teilnehmen darf er aus Altersgründen nicht mehr, der Titel ist dennoch der höchste, den ein Papst vergeben kann: Der deutsche Kirchenhistoriker Walter Brandmüller wird Kardinal der katholischen Kirche. Der Apostolische Protonotar gehört zu den vier über 80 Jahre alten Kirchenmännern, die demnächst von Papst Benedikt XVI. aufgrund ihrer besonderen Verdienste in den Kirchensenat berufen werden.

Autor/in:
Thomas Jansen
Kardinal Brandmüller (KNA)
Kardinal Brandmüller / ( KNA )

Der am 5. Januar 1929 in Ansbach als Sohn eines Offiziers geborene Prälat hat im Vatikan großen Einfluss. Der langjährige Präfekt der Glaubenskongregation und heutige Papst schätzt den fachlichen Rat des fast Gleichaltrigen seit Jahrzehnten. Von 1998 bis Dezember 2009 war Brandmüller Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften. Für eine Institution, die aus ihrer 2000-jährigen Geschichte lebt, ist dies ein entscheidender Posten.

"Chefhistoriker des Vatikan" wurde der in jungen Jahren zum Katholizismus übergetretene bayerische Gelehrte denn auch bisweilen genannt.



Als Brandmüller 1998 unter Papst Johannes Paul II. nach Rom berufen wurde, konnte er auf eine lange und erfolgreiche akademische Karriere in Deutschland zurückblicken. Von 1971 bis 1997 lehrte er als Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Universität Augsburg. Zuvor war der 1953 zum Priester geweihte Wissenschaftler seit 1969 an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Dillingen tätig. Sein Spezialgebiet war die Geschichte der mittelalterlichen Konzilien.



Domherr von St. Peter

Der Domherr von St. Peter ist ein Wissenschaftler, der heiklen Fragen nicht ausweicht und die Debatte nicht scheut: Als Präsident des päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften widmete er sich vor allem jenen Themen, die oft durch eine verzerrte, vorurteilsbeladene und ideologisch geprägte Sichtweise auf die Kirche beherrscht werden: von den Kreuzzügen und der Inquisition über den "Fall Galilei" bis hin zur Haltung der katholischen Kirche gegenüber dem Nationalsozialismus und dem vermeintlichen "Schweigen" Papst Pius XII. angesichts des Holocaust.



In all diesen Fällen ging es Brandmüller darum, die Kirche vor ungerechtfertigten Angriffen in Schutz zu nehmen ohne historische Tatsachen schönzufärben. So war er Mitinitiator einer vielbeachteten Ausstellung über Pius XII., die im vergangenen Jahr in Rom wie in München und Berlin zu sehen war. Auch gegenüber Medien, die nicht für ihre Kirchenfreundlichkeit bekannt sind, steht Brandmüller Rede und Antwort und verschafft sich Respekt.



Professor alter Schule

Brandmüller ist ein Professor alter Schule: Eine enzyklopädische Bildung, die weit über die Grenzen seines Faches hinausgeht, vereint er mit Kunstsinnigkeit und geschliffenen Umgangsformen. Er gehört zu der mittlerweile auch im Vatikan seltenen Spezies, für die Latein keine Fremdsprache ist. Ebenfalls nicht selbstverständlich für einen führenden Kirchenmann in Rom ist seine Betätigung als Hobbykoch.



Der frühere Präsident des päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften ist nicht der erste deutsche Kirchenhistoriker, dem der Kardinalspurpur verliehen wird. 1879 ernannte Leo XIII. den aus Würzburg stammenden Joseph Hergenröther (1824-1890) zum Kardinal. 43 Jahre später, 1922, berief Pius XI. den Kirchenhistoriker Franz Ehrle (1845-1934), einen aus Isny im Allgäu stammenden Professor an der Päpstlichen Universität Gregoriana, zum Kardinal.



Der Gemeindealltag, Sonntagsmessen, Beichtgespräche und Firmvorbereitung sind Brandmüller ebenso vertraut wie die Konziliengeschichte. Während seiner Lehrtätigkeit an der Universität Augsburg wirkte der Priester des Erzbistums Bamberg in der Ortschaft Walleshausen bei Augsburg über 25 Jahre als Pfarrer. Und seine Pfarrangehörigen haben Brandmüller, der dem weichen fränkischen Tonfall seiner Heimat treu geblieben ist, offenbar in guter Erinnerung behalten: Zu seinem 80. Geburtstag reiste im vergangenen Jahr eigens eine Abordnung der Pfarrei nach Rom, um Brandmüller persönlich zu gratulieren, ein Ständchen der Blaskapelle Walleshausen im Schatten des Petersdomes eingeschlossen.