Weltweit wird der Friedensnobelpreis für Liu Xiaobo begrüßt

Der Druck auf Peking wächst

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international hat die Entscheidung des Nobelkomitees für Liu Xiaobo gelobt. Der Preis gehe an "alle Menschen, die sich in China für die Menschenrechte einsetzen", sagt im Interview mit domradio.de Dirk Pleiter. Auch die Europäische Union und die Bundesregierung gratulieren. Peking reagiert empört

 (DR)

Peking reagierte schnell. "Liu Xiaobo ist ein Krimineller, der von der chinesischen Justiz wegen Verstößen gegen chinesisches Recht verurteilt wurde", erklärte das Außenministerium am Freitag rund eineinhalb Stunden nach Bekanntgabe der Entscheidung in Oslo. Die Auszeichnung Lius "läuft völlig dem Prinzip des Preises zuwider und stellt zudem eine Schmähung des Friedenspreises dar", kritisierte die chinesische Regierung weiter. Der Preis hätte besser für die Förderung der internationalen Völkerverständigung und der Abrüstung verliehen werden sollen. Zudem schade die Wahl Lius dem chinesisch-norwegischen Verhältnis. Einzelheiten nannte Peking nicht.



Der Dalai Lama bat China um die Freilassung Liu Xiaobos aus der Haft. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter sagte in einer in Neu-Delhi veröffentlichten Erklärung weiter, der Friedensnobelpreis sei eine Anerkennung der internationalen Gemeinschaft für die lauter werdenden Stimmen in China, die Reformen anmahnten. Der im indischen Exil lebende Dalai Lama - der 1989 den Friedensnobelpreis erhalten hat - appellierte an die chinesische Regierung, neben Liu auch andere freizulassen, "die wegen der Ausübung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit inhaftiert sind".



US-Präsident Barack Obama erklärte, Liu "hat seine Freiheit für seine Überzeugungen geopfert". Er nannte seinen Preisnachfolger einen "beredten und mutigen Sprecher zur Förderung universaler Werte durch friedlich und gewaltfreie Mittel" und rief die chinesische Regierung auf, den Dissidenten freizulassen.



Die Initiative, Liu für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen, ging von Bürgerrechtlern wie dem ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Havel aus. Auch der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu und der Dalai Lama, das religiöse Oberhaupt der Tibeter, hatten sich für Liu stark gemacht.



Überwiegend positive Reaktionen in Deutschland

Die Entscheidung des Nobelpreiskomitees ist in Deutschland überwiegend gelobt worden. Bundespräsident Christian Wulff erklärte in einem Glückwunschschreiben an Liu: "Ihr Mut, sich für die Menschenrechte in Ihrem Land friedlich einzusetzen, hat meinen größten Respekt." Deutschland werde weiterhin die Freilassung des Schriftstellers fordern. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte: "Das Nobelpreiskomitee hat heute eine mutige und verdiente Entscheidung getroffen." Auch Regierungssprecher Steffen Seibert würdigte das gewaltfreie Engagement des Bürgerrechtlers: "Liu Xiaobo fordert, den Hass abzulegen, und wenn man sieht, wie respektvoll er sich über seinen eigenen Zellenwärter äußert, dann muss einen auch das beeindrucken."



Der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) zufolge ist die Entscheidung des Komitees von historischer Tragweite für all diejenigen, die sich für das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit in China engagieren. Von ihr gehe nicht nur eine hoffnungsvolle Botschaft für den verurteilten Preisträger aus, sondern auch für die Bevölkerung der Volksrepublik und alle weltweit inhaftierten Dissidenten.



amnesty international forderte im Interview mit domradio.de die Freilassung aller gewaltlosen politischen Gefangenen in China. Dirk Pleiter, amnesty international: "Die Entscheidung für Liu Xiaobo ist insofern mutig, als dass das Nobelpreiskomitee auch demonstriert, dass es sich nicht beeindrucken lässt. Liu Xiaobo ist ein Mann, der über viele Jahre für die Menschenrechte gekämpft hat. Er steht damit für die Ziele, die durch den Nobelpreis ausgezeichnet werden. Der Preis ist aber nicht nur für Liu Xiaobo, sondern für alle Menschen, die sich in China für die Menschenrechte einsetzen. Ob der Preis ihm helfen wird, ist zu bezweifeln. Peking wird ihn Haft halten. Aber der Druck auf die Regierung erhöht sich - auch andere Inhaftierte freizulassen."



Zensur im großen Stil in Chinas Medien

Die chinesischen Behörden zensierten die Meldungen über die Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises Liu in großem Umfang. Die Übertragung des Senders CNN wurde gestört. Beliebte Internetseiten entfernten die Berichterstattung über die Nobelpreise, die in den Tagen zuvor in den naturwissenschaftlichen Sparten noch eine wichtige Rolle spielten. Textbotschaften über "Xiaobo" an Sina Microblog, einem Twitter-ähnlichen Dienst des Internetportals Sina.com, wurden schnell gelöscht. Sogar Versuche, SMS mit den chinesischen Schriftzeichen für Liu Xiaobo zu verschicken, scheiterten.



Mini-Demonstration von Freunden und Anhängern Lius

Nach der Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers versammelten sich mehr als ein Dutzend Freunde und Anhänger in der Nähe von Lius Wohnung in Peking. Sie hielten Plakate in die Luft, auf denen sie dem Preisträger gratulierten. Sie riefen "Es lebe die Freiheit, es lebe die Demokratie" und trugen gelbe Bänder als Symbol für ihre Forderung nach Freilassung des politischen Häftlings, wie sie erklärten.



Die kleine Demonstration, die von den Sicherheitskräften zunächst nicht gestört wurde, wirft ein Schlaglicht auf die schwierige Situation der chinesischen Protestbewegung. Liu ist in China - außer in Dissidentenkreisen - fast völlig unbekannt. Passanten zu Fuß und auf Fahrrädern hielten angesichts der Mini-Kundgebung nicht an, sondern ignorierten sie. Die Polizei führte die Demonstranten später ab.



China bestellt norwegischen Botschafter ein

Die chinesische Regierung bestellte den norwegischen Botschafter in Peking ein, um gegen die Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an Liu zu protestieren. In Oslo traf der chinesische Botschafter mit dem Staatssekretär des norwegischen Außenministeriums, Erik Lahnstein, zusammen. Beide Treffen seien auf den Wunsch der chinesischen Regierung zustande gekommen, die dabei ihre Kritik an der Wahl des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers habe ausdrücken wollen, sagte eine Sprecherin des norwegischen Außenministeriums. Man habe den Chinesen erklärt, dass das Nobelpreiskomitee unabhängig von der Regierung handele und dass Norwegen seine guten Beziehungen zu der Volksrepublik aufrechterhalten wolle.



Der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg sagte, er sehe keine Gründe, warum China das gesamte Land Norwegen für die Entscheidung des Nobelpreiskomitees bestrafen solle. "Ich denke, es wäre negativ für Chinas Ansehen in der Welt, sollten sie das zu tun beabsichtigen", sagte er dem norwegischen Sender NKK.