Medizinnobelpreis führt zu neuer Debatte um Embryonenschutz

Steilvorlage für Reproduktionsmediziner

Für die Reproduktionsmediziner ist es eine Steilvorlage: Vom Medizinnobelpreis für den «Vater der Reagenzglasbabys», den Briten Robert Edwards, versprechen sie sich neuen Schwung in der Debatte um den Umgang mit Embryonen in Deutschland.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Das 1990 vom Bundestag verabschiedete und im europäischen Vergleich sehr strenge Embryonenschutzgesetz wird dabei als immer größeres Hindernis empfunden. "Ich wünsche mir, dass dieser Nobelpreises eine Initialzündung für die Weiterentwicklung des Embryonenschutzgesetzes ist", erklärte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Rolf Kreienberg, nach der am Montag bekanntgegebenen Entscheidung des Nobelpreiskomitees. "Denn in Deutschland sind wichtige Verfahren nicht erlaubt, die in den Nachbarländern möglich sind."



So zwingt nach Darstellung von Kreienberg das Embryonenschutzgesetz viele ungewollt kinderlose Paare, zur Behandlung ins Ausland zu reisen und dort auf teure Verfahren zurückzugreifen. Konkret fordert der Reproduktionsmediziner die Zulassung der Eizellspende und des sogenannten selektiven Embryotransfers: Bei letzterer Methode wird von mehreren im Reagenzglas erzeugten Embryonen derjenige zur Einpflanzung ausgewählt, der den Kriterien der Ärzte oder Eltern am besten entspricht und den meisten Erfolg verspricht. Nach Meinung der Reproduktionsmediziner können damit die Schwangerschaftsrate deutlich verbessert und Mehrlingsschwangerschaften vermieden werden. Kritiker wie die katholische Kirche verweisen darauf, dass dabei Embryonen vernichtet werden und außerdem das Tor zur Züchtung von Menschen weit offen steht.



Bundesgerichtshof bringt Geländegewinne

Geländegewinne konnten die Reproduktionsmediziner in diesem Sommer bei einem anderen Thema des Embryonenschutzgesetzes verbuchen, das seit Jahren heiß umkämpft ist: Anfang Juli gab der Bundesgerichtshof grünes Licht für eine begrenzte genetische Untersuchung von Embryonen im Reagenzglas sowie die Aussonderung geschädigter Embryonen. Die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID) verstoße nicht gegen das Embryonenschutzgesetz, urteilte der 5. Strafsenat. Und verblüffte damit auch viele Juristen, die bisher davon ausgegangen waren, dass das Gesetz die PID eindeutig verbiete.



Der Bundesgerichtshof argumentierte jedoch, dass es die PID bei der Ausarbeitung des Gesetzes noch gar nicht gegeben habe. Das Urteil lässt sich somit auch als Appell lesen, dass die Richter eine Reform des Embryonenschutzgesetzes für erforderlich halten. Eine Forderung, die neben den Reproduktionsmedizinern auch Politiker von FDP und Grünen erhoben haben. Die FDP verfolgt das Ziel schon seit langem. Erstaunlich aber, dass auch die Grünen, die bislang bei ethischen Fragen eher die Position der Kirchen zugunsten des strengen Embryonenschutzes teilten, den Bundestag Anfang September aufforderten, rasch ein umfassendes Fortpflanzungsmedizingesetz zu erarbeiten.



"Veraltet und überholt"

Die grüne Bioethikexpertin Priska Hinz erklärte dazu, es müsse sowohl um den Schutz grundlegender ethischer Prinzipien als auch um Grenzen für neue medizinische Möglichkeiten gehen. "Die fast 20 Jahre alten Regelungen des Embryonenschutzgesetzes reichen bei weitem nicht mehr aus und sind zum Teil schlicht und einfach veraltet und überholt", betonte sie.



Der Mainzer katholische Moraltheologe Johannes Reiter beschreibt das Problem aus einer anderen Warte: Die Möglichkeiten der Biomedizin seien in den vergangenen Jahrzehnten fast explosionsartig gewachsen. Das bedeute nicht nur Chancen bei Diagnose und Therapie. Sondern es habe sich auch ein enormes Gefahren- und Risikopotenzial angesammelt. "Wo Forschung und Biomedizin an den Wurzeln des Lebens operieren und zunehmend in der Lage sind, dieses an seinem Anfang und Ende und jeweils darüber hinaus zu manipulieren, nehmen sie beängstigende Formen an."