Deutsch-französischer Kulturkanal arte wird 20 Jahre alt

Der etwas andere Sender

«Intellektuellen-TV», «Lehrer-Fernsehen» oder «Nischensender» - was hat der deutsch-französische Kulturkanal arte nicht schon alles an Spott aushalten müssen. Doch der Erfolg spricht für sich: Mittlerweile ist arte eine anerkannte Marke im Fernsehgeschäft.

Autor/in:
Joachim Heinz
arte will Deutsche und Franzosen über die Kultur näher bringen  (DR)
arte will Deutsche und Franzosen über die Kultur näher bringen / ( DR )

An diesem Samstag feiert der in Straßburg ansässige Sender sein 20-jähriges Bestehen. Und serviert seinen Zuschauern bis Anfang Dezember Höhepunkte aus dem Programm der vergangenen zwei Jahrzehnte.



Preisgekröntes ist darunter, wie der deutsche Oscar-Gewinner von 2007, "Das Leben der Anderen". Oder die mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnete Dokumentation "Die große Stille" über das Leben im französischen Mutterkloster des Karthäuserordens. Das Magazin "Karambolage" zeichnet in zwei Folgen die Geschichte von arte nach, und das ebenfalls hauseigene Format "Tracks" wirft einen Blick auf die Trends aus Musik und Kunst zwischen 1990 und 2010.



arte wäre freilich nicht arte, wenn es nicht auch während der Festwochen Produktionen abseits des Mainstream präsentierte. Dazu gehören Schätze wie die Reihe "Corpus Christi", die 1997 der Frage nachging, was wissenschaftlich von den letzten Tagen Jesu nachweisbar ist. Aber auch Rätselhaftes und scheinbar Randständiges ist darunter, wie der Fernsehfilm "Das Leben auf Erden".



Deutsche und Franzosen über die Kultur näher bringen

Im Mittelpunkt steht ein afrikanischer Filmemacher, der in den Wohnort seines Vaters nach Mali reist und dort die Bekanntschaft einer jungen Frau macht. "Zwischen ihnen entwickelt sich eine lebendige, nicht greifbare Beziehung, während das Leben im Dorf weitergeht", heißt es dazu in der Programmankündigung. Da schimmert es wieder durch, das Bild vom "Intellektuellen-TV". Aber irgendwie auch wohltuend, das für so etwas Platz ist - angesichts der immer gleichen Musikantenstadl-, Quiz- und Talkshowsauce, die auch aus den öffentlich-rechtlichen Sendern über die heimische Mattscheibe schwappt.



Angefangen hat die Geschichte des "Europäischen Fernsehkulturkanals", so der ursprüngliche Projektname, in den 80er-Jahren. Damals suchten Frankreichs Präsident Francois Mitterand, Deutschlands Kanzler Helmut Kohl und der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth (beide CDU) nach Möglichkeiten, "Deutsche und Franzosen über die Kultur einander näher zu bringen und die kulturelle Integration Europas zu fördern", wie es auf der arte-Homepage heißt.



Am 2. Oktober 1990 wurde der Grundstein für arte gelegt. Die elf "alten" Bundesländer und Frankreich unterzeichneten in Berlin einen Vertrag über die Zusammenarbeit zwischen der französischen Fernsehgesellschaft La Sept sowie ARD und ZDF. Der Termin war mit Bedacht gewählt. Einen Tag später wurde die deutsche Einheit besiegelt, und dann "hätte man mit den "neuen" Bundesländern noch einmal gesondert verhandeln müssen", sagt Andreas Schreitmüller, arte-Mitarbeiter der ersten Stunde und Leiter der Redaktion Spielfilm und Fernsehfilm.



500.000 Menschen schauen zu

Die meisten Redakteure stießen ein Jahr später, im Herbst 1991, zu dem neuen Kulturkanal. Bis zum offiziellen Sendestart am 30. Mai 1992 blieb nicht viel Zeit, erinnert sich Schreitmüller. "Natürlich gab es anfangs Unsicherheiten und den Druck, vom ersten Tag an in zwei Sprachen sendefähig zu sein." Doch gerade diese besondere Form der Internationalität zeichnet arte und sein Programm bis auf den heutigen Tag aus. Ein Grund, weswegen sich der Sender "überraschend schnell" in der Branche einen Namen habe machen können, so der ehemalige ZDF-Mann.



Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch die Medienwissenschaftlerin Liane Rothenberger - mit einer kleinen Einschränkung. "Das Image von arte ist hervorragend, die Quote niedrig", schreibt sie 2008 in ihrer Doktorarbeit zur Programmentwicklung in dem Kulturkanal. Wobei die Forscherin gleichzeitig einräumt, dass die Jagd nach Zuschaueranteilen nicht unbedingt qualitätsfördernd sein muss. Davon abgesehen zählten allein in Deutschland 500.000 Menschen zum arte-Publikum; der Sender zeige sich zudem offen für neue Formate. Abgehobenes "Elitefernsehen" sieht jedenfalls anders aus.