Streit um russisch-orthodoxe Basilika in Nizza dauert an

Besitzverhältnisse vor Gericht

Alexis Obolensky fürchtet um das Überleben seiner Gemeinde. Der pensionierte Russisch-Dozent und sein Kulturverein kämpfen vor Gericht dafür, die berühmte russisch-orthodoxe Kathedrale Saint Nicolas in Nizza weiterhin der französischen Gemeinde anzuvertrauen - und nicht Russland. Nun steht der Termin für die nächste juristische Etappe fest: Im März wird das Berufungsgericht über den Streitfall entscheiden.

Autor/in:
Annika Joeres
 (DR)

Im Februar 2010 hatte ein Zivilgericht in Nizza Gelände, Gebäude und Innenausstattung der Kirche dem russischen Staat zugesprochen. Russland macht geltend, als Rechtsnachfolger des Zaren Nikolaus II. zu handeln, der für den Bau 1912 ein Grundstück zur Verfügung stellte. Der Trägerverein betont dagegen, der Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche habe ihnen in den 1920er Jahren nach der Machtübernahme der Kommunisten Gebäude und Grundstück übertragen.

"Unsere Gemeinde hegt und pflegt diese Kirche seit mehr als 80 Jahren", sagt Küster Obolensky empört. Die Basilika sei Teil der russischen Migranten-Kultur und "spirituell" viel näher an Frankreich als an Russland.



Das farbenprächtige Bauwerk in Nizza ist die größte russisch-orthodoxe Kirche in Europa und eines der meistbesuchten Denkmäler in der Stadt am Mittelmeer. Doch hinter der hübschen Fassade tobt eine letztlich europaweite Auseinandersetzung zwischen der russisch-orthodoxen Kirche im Ausland und in Russland. "Beide standen über Jahrzehnte im scharfen Gegensatz zueinander", sagt Rudolf Prokschi, katholischer Theologe an der Wiener Universität der KNA. Die Emigrierten hätten der in Moskau geduldeten Kirchenleitung vorgeworfen, zu sehr mit den Kommunisten kollaboriert zu haben. "Die "Auslandskirche" übernahm alle ehemaligen kirchlichen Besitztümer Russlands im Ausland", so der Professor für Ostkirchengeschichte.



Gemeindemitglieder ketten sich an ihre Kathedrale

Vor zwei Jahren aber sei es offiziell zur Aussöhnung zwischen Russland und der Auslandskirche gekommen, so Prokschi. Folgerichtig sah sich Russland in der vorläufigen Rechts-Entscheidung bestätigt. Die Gemeinde in Nizza aber wehrt sich gegen die "Übernahme". Zweimal schon reiste eine russische Delegation an um die Kirche und ihre Reichtümer zu bewerten. Jedes Mal ketteten sich Gemeindemitglieder an die Eingangstür und verhinderten den Zutritt. Die Gemeinde möchte auch mit dem post-kommunistischen Russland nicht zusammenarbeiten.



"Wir haben unsere eigene Tradition", sagt Obolensky. Zwar gebe es in der Liturgie nur geringe Unterschiede, aber "der Geist unserer Gemeinde ist ein anderer", ist der Küster überzeugt. Er speise sich aus den russischen Emigranten, die bewusst ihr Heimatland verlassen hätten. Seine eigenen Großeltern und Eltern waren im Jahre 1921 nach Frankreich ausgewandert. Der 62-Jährige steht dem Verein schon seit zehn Jahren vor und wendet viele Stunden seiner Zeit für den Erhalt der Kirche auf. "Diese Kirche gehört niemandem", sagt Obolensky bestimmt. Auch sein Verein pflege und bewahre das Heiligtum nur für die Allgemeinheit.



Es scheint um das Prinzip zu gehen

In den Seitenflügeln des Gotteshauses stehen gläserne, reich verzierte Schaukästen mit goldenen Familienwappen und reich verzierten Kerzenständern oder Bilderrahmen, die die emigrierten Familien der Kirche schenkten. Für Obolensky ein Zeichen für die Distanz der Gläubigen zum russischen Staat. "Sie sind geflohen und haben dann ihre Reichtümer der Kirche vermacht. Sie jetzt an Russland zurückzugeben wäre skandalös", sagt Obolensky.



Bislang hat der russische Staat nicht erklärt, ob sich das Gemeindeleben und die Kirche selbst unter seiner Federführung überhaupt ändern sollen. Vielmehr scheint es ums Prinzip zu gehen. "Seit der Wende bemüht sich die russisch-orthodoxe Kirche, gemeinsam mit der russischen Politik diese kirchlichen Besitztümer im Ausland wieder zurückzubekommen", sagt auch Wissenschaftler Prokschi. Obolensky und seine Mitstreiter aber werden eine mögliche Übereignung der Kirche an Russland nicht akzeptieren: Sie wollen für ihre Basilika notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.