Fränkische Christen sammeln 12.000 Unterschriften gegen Zölibat

Das Problem mit der Ehelosigkeit

Es ist das Donnerstagsgebet Nummer 48. Keine runde Zahl und doch eine besondere. Denn die Katholiken aus dem unterfränkischen Hammelburg versammeln sich nicht wie sonst in ihrer Kirche Sankt Johannes der Täufer, sondern vor dem Fuldaer Dom: zu einem Gebet für Reformen. Mehr als 60 haben einen Bus gechartert, der Rest ist privat angereist. "Kirche in Bewegung" nennt sich die Initiative, gegründet aus der Gemeinde heraus, nachdem ihr Pfarrer sich im Oktober 2009 zu Frau und Kind bekannte. Seither beten sie und sammeln Unterschriften gegen die Zölibatspflicht.

Autor/in:
Christian Wölfel
Pater Hans Langendörfer nimmt die Unterschriften entgegen (DR)
Pater Hans Langendörfer nimmt die Unterschriften entgegen / ( DR )

Genau 11.850 haben vier Vertreter von ihnen dem Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, gut zwei Stunden vor dem Gebet in Fulda, präsentiert. Aus dem gesamten Bundesgebiet kommen die Unterstützer, in sechs weiteren Gemeinden gibt es mittlerweile ebenfalls Donnerstagsgebete und auch in Wien, wie auf der Homepage der Initiative nachzulesen ist. 20 weitere Orte sind aufgeführt, die den Initiatoren zufolge ebenfalls Interesse an solchen Aktionen haben.



Es war die Enttäuschung über den Verlust ihres Pfarrers, die viele Hammelburger aktiv werden ließ. Acht Jahre war der heute 38-Jährige Michael Sell in der Gemeinde als Seelsorger im Einsatz, zunächst als Kaplan und ab 2003 als Stadtpfarrer - ein beliebter, umtriebiger Priester. Er war es, der dafür sorgte, dass der Messwein für den Weltjugendtag 2005 in Köln aus seiner Gemeinde kam. Hammelburg rühmt sich, die älteste Weinstadt Frankens zu sein.



Als Sell sich 2009 als Zölibatsbrecher outete, wurde er gemäß dem katholischen Kirchenrecht suspendiert. Dass in einer Gemeinde Unruhe aufkommt, wenn sie auf diese Weise ihren Pfarrer verliert, ist nichts Ungewöhnliches. Deutschlandweit scheidet jedes Jahr nach einer offiziellen Vatikan-Statistik eine zweistellige Zahl von Priestern aus dem Amt - die meisten, weil sie das Versprechen der Ehelosigkeit nicht mehr halten wollen.



Wenn es Proteste gegen eine Abberufung gibt, flauen diese in der Regel nach einer Weile ab. Doch in Hammelburg hält die Unruhe nun schon fast ein Jahr an. Längst hat der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann einen neuen, tüchtigen Pfarrer geschickt. Doch den protestierenden Katholiken geht es ums Prinzip.



Die Unterschriften aus Hammelburg erreichen die in Fulda tagende Bischofskonferenz zu einer Zeit, in der einige ihrer Mitglieder sich dafür aussprechen, offen über das Thema Zölibat zu diskutieren. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gehört ebenso dazu wie der langjährige Konferenzvorsitzende Kardinal Karl Lehmann.



Wohin eine solche Debatte führen würde, ist offen. Es fehlt nicht an Stimmen im Episkopat, die den Zölibat mit neuem Schwung verteidigen. Erst kurz vor dem Treffen in Fulda sagte der Münchner Erzbischof Reinhard Marx, statt über die Abschaffung des Zölibats zu diskutieren, sei es wichtiger zu fragen, wie die Ehelosigkeit der Priester als wertvoller geistlicher Schatz in der Kirche wiederentdeckt werden könne. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner erklärte im Juli, der Zölibat sei überzeugend gelebt "immer noch der schlagendste Gottesbeweis". Auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck bekannte unlängst, ein glühender Verfechter des Lebensstils Jesu zu sein.



An der katholischen Basis dagegen scheint das Verständnis für die vorgeschriebene Ehelosigkeit der Priester derzeit gering zu sein. Laut einer im Juni veröffentlichten Allensbach-Umfrage sind nur noch 13 Prozent mit der offiziellen Haltung der Kirche "weitgehend einverstanden". Befragt wurden mehr als 2.000 Katholiken über 16 Jahre, just in der Zeit, als die Hammelburger mit ihren Donnerstagsgebeten begannen.



Pfarrer Sell war damals der dritte Würzburger Diözesanpriester, der innerhalb eines Jahres aus seinem Amt schied - wegen der Liebe zu einer Frau. Vor einer Woche wurde ein weiterer unterfränkischer Pfarrer suspendiert, weil er sich für seine Freundin entschied. Auch dort, in Rechtenbach bei Lohr am Main, werden nun Unterschriften gesammelt.