Alice Schwarzer sieht das Kopftuch als Flagge der Islamisten

«Wie die Tiere»

Heute erscheint das von Alice Schwarzer herausgegebene Buch "Die große Verschleierung". Darin prangert die Kämpferin für Frauenrechte den Islamismus an - und macht sich zugleich für eine bessere Integration von Muslimen stark. Im Interview äußert sich Schwarzer zu den Themen Kopftuchverbot, Angst vor dem Islam und muslimischer Religionsunterricht.

Autor/in:
Thomas Winkel
 (DR)

KNA: Frau Schwarzer, vor Jahren zogen Sie gegen Pornografie zu Felde, jetzt gegen die Verschleierung muslimischer Frauen - mal zu wenig Stoff, mal zu viel. Wie tolerant sind Sie?

Alice Schwarzer: Für emanzipierte Frauen gibt es noch etwas zwischen Entblößung und Verhüllung. Und weder das eine noch das andere ist eine Frage der "Toleranz". Beides macht Frauen zum Objekt. Die Pornografie - also die Verknüpfung von Erniedrigung und Gewalt mit sexuellem Begehren - ebenso wie Verschleierung: also das Verdecken des Haupthaares mit dem Kopftuch, des ganzen Körpers mit dem Tschador oder wie bei der Burka gar des ganzen Menschen. Denn dies geschieht ja, weil allein der Anblick des Haares einer Frau die Männer angeblich so erregt, dass sie sich wie die Tiere auf die Frauen stürzen. Ein solches Menschenbild verbiegt nicht nur die Frauen zu unrecht, sondern auch die Männer. Und außerdem bedeutet die Verschleierung, ganz wie die Entblößung der Frauen, eine permanente Sexualisierung - sowie eine ganz konkrete Behinderung in der Bewegung.



KNA: Was stört Sie an dem Schleier einer Muslima denn genau?

Schwarzer: In den 1960er und 1970er Jahren trugen Türkinnen in Deutschland keine Kopftücher, höchstens mal die alte Bäuerin aus Anatolien. Der islamistische Schleier, mit dem Frauen ihr Haar vollkommen verdecken, kam 1979 mit dem Sieg Khomeinis im Iran auf. Da ging die Entrechtung der Frauen und ihre Verschleierung Hand in Hand. Und wenn einer Frau mal der Tschador verrutschte, schlugen die selbsternannten "Revolutionswärterinnen" ihn mit Nägeln in den Kopf.

Wir sehen, das islamistische Kopftuch ist viel mehr als "nur ein Stückchen Stoff".



KNA: Nämlich...

Schwarzer: Das islamistische Kopftuch hat ja nichts mit dem Glauben zu tun. Die überwältigende Mehrheit der Musliminnen auf der Welt trägt kein Kopftuch. Und in Deutschland hat jede zweite Muslimin, die sich selber als "streng gläubig" bezeichnet, laut Studie des Innenministeriums noch nie ein Kopftuch getragen. Es geht hier also nicht um Religion, sondern um Politik. Das Kopftuch ist weltweit das Symbol, ja die Flagge der Islamisten.



KNA: Dass sich eine Muslimin aus freien Stücken verschleiert, ohne Zwang oder "Gehirnwäsche" - für Sie undenkbar?

Schwarzer: Leider nicht immer. In dem islamistisch beherrschten Ländern hat keine Frau die Wahl. Da sind alle Frauen zwangsverschleiert - sonst droht ihnen der Tod. Bei den muslimischen Communities innerhalb demokratischer Staaten ist es nicht lebensgefährlich, unverschleiert zu sein. Aber auch da kann der Druck groß sein. Die Islamisten - die in Iran oder Pakistan ausgebildet werden und Geld von Saudi-Arabien haben - zahlen auch mitten in Deutschland den Eltern Geld dafür, wenn ihre Töchter sich verschleiern. Und den arbeitslosen Söhnen versprechen sie 70 Jungfrauen im Himmel...



KNA: Und der Schleier bei katholischen Ordensfrauen - lässt sich das miteinander vergleichen?

Schwarzer: Wissen Sie, die subjektiven Motive, aus denen manche Mädchen und Frauen das Kopftuch oder gar den Ganzkörperschleier tragen, sind oft durchaus zu respektieren. Da geht es mir auch nicht um Verbote - ich möchte nur eine kopftuchfreie Schule. Und auch im öffentlichen Dienst hat das Kopftuch nichts zu suchen. Doch ansonsten müssen wir einfach mit den Kopftuchträgerinnen diskutieren. Und sie vielleicht auch einmal fragen, wie es kommt, dass sie in Demokratien für "das Recht auf das Kopftuch" kämpfen - aber nichts gegen den oft blutigen Zwang zum Kopftuch in den islamistischen Ländern tun.



KNA: Haben Sie Angst vor dem Islam?

Schwarzer: Angst vor dem Islam? Warum sollte ich! Ich habe ja auch keine Angst vor "dem" Christentum, obwohl es auch da beunruhigende Auswüchse gibt, siehe die Evangelikalen in den USA. Nein, mir geht es überhaupt nicht um "den" Islam und auch nicht um "die" Muslime.

Die sind so vielfältig wie wir Christen. Und außerdem ist die aufgeklärte Mehrheit der Musliminnen und Muslime ja das erste Opfer der Islamisten.



KNA: Wo konkret ziehen Sie die Grenze zwischen Islam und Islamismus?

Schwarzer: Der Islam ist der Glaube. Und wenn der reformbedürftig ist, was ja ganz so aussieht, dann ist das Sache der Muslime. Der Islamismus ist der Missbrauch des Glaubens für eine politische Machtergreifung.



KNA: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es an deutschen Schulen islamischen Religionsunterricht geben wird. Für Sie der Untergang des Abendlandes?

Schwarzer: Ich mache mir um das Abendland keine Sorgen. Ich mache mir nur Sorgen um so hart errungene Werte wie Demokratie, Rechtsstaat und Gleichberechtigung. Und ich finde, dass es Old Europe gut tut, Zuzug aus aller Herren Ländern zu kriegen. Auch den islamischen Religionsunterricht in den Schulen finde ich sehr wünschenswert. Auf Deutsch selbstverständlich. Dann werden die Kinder wenigstens nicht mehr in den Koranschulen aufgehetzt.