Präses Buß: Letztes Wort zu Atomlaufzeiten noch nicht gesprochen

Eine unglaubliche Klientelpolitik

Die geplante Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke hilft nach Ansicht des westfälischen Präses Alfred Buß nur den großen Stromkonzernen. Über die Verlängerung sei aber «das letzte Wort noch längst nicht gesprochen», sagte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche von Westfalen in einem epd-Interview in Bielefeld.

Alfred Buß, Präses der Evangelischen Landeskirche von Westfalen (epd)
Alfred Buß, Präses der Evangelischen Landeskirche von Westfalen / ( epd )

epd: Die Bundesregierung will die Laufzeiten von Atomkraftwerken deutlich verlängern. Was halten Sie davon?

Buß: Das ist eine unglaubliche Klientelpolitik. Das Energiekartell, das die Mittel hat, in ganzseitigen Zeitungsanzeigen für seine Interessen zu werben, erhält so die Lizenz zum Gelddrucken.



Die vier Energieriesen können bis zum Jahr 2040, vielleicht sogar noch länger, in steuerlich längst abgeschriebenen Atomkraftwerken Strom für durchschnittlich 2,2 Cent pro Kilowattstunde produzieren, um ihn dann an der Börse zum teuersten Preis zu verkaufen - im Moment 5,3 Cent. Statt in Erneuerbare Energien wird in eine veraltete Technologie investiert, die obendrein gefährlich ist. Nicht zuletzt die Entsorgungsfrage ist völlig ungelöst. Wir produzieren Atommüll für einen Zeitraum, den Menschen nicht überblicken können. Und verfahren nach dem Motto: Wir fliegen schon mal los; wie wir landen, wissen wir nicht.



epd: Befürworter halten Kernkraft beim Übergang zu Erneuerbaren Energien für nötig und verweisen auf die geplante Brennelemente-Steuer von 2,3 Milliarden Euro.

Buß: Fachleute sagen, dass weder die Kohle noch Atommeiler als Brückentechnologien zum Übergang auf Erneuerbare Energien gebraucht werden - auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung sieht das so. Im Gegenteil: Die Laufzeitverlängerung behindert die Entwicklung alternativer Energien. Die AKW-Betreiber haben einen Wettbewerbsvorteil durch abgeschriebene Kraftwerke. Zweitens muss für Erneuerbare Energien in ein völlig anderes Verteilungsnetz investiert werden. Wir brauchen ja einen Umstieg von zentraler zu dezentraler Energieversorgung. Was die Brennelemente-Steuer angeht: Die ist nur bis 2016 zu zahlen und kann zum Teil mit der Körperschaftssteuer verrechnet werden. Der Reingewinn für die Energieriesen durch die Laufzeitverlängerung liegt bei geschätzten 130 Milliarden Euro.



epd: Sind die längeren Laufzeiten nach Ihrer Einschätzung noch zu verhindern - und beteiligt sich die Kirche an den ankündigten Protesten?

Buß: Das letzte Wort ist da noch längst nicht gesprochen. Der Bundesumweltminister hat ja von der jetzt beschlossenen Verlängerung abgeraten. Auch die Bevölkerung ist mehrheitlich dagegen. Und es gibt in Deutschland eine starke Anti-Atomkraft-Bewegung. Die westfälische Kirche hat sich klar gegen Atomkraft positioniert, auch mit mehreren Synodenbeschlüssen - aus Schöpfungsverantwortung. Wir müssen in dieser Frage als Kirche sehr eindeutig reden und tun dies auch in Zukunft.