Am 26. August wäre Mutter Teresa 100 Jahre alt geworden

Engel in Strickjacke

Es ist ein Geburtstag, der weltweit Aufmerksamkeit erregt: Am 26. August wäre Agnes Bojaxhiu 100 Jahre alt geworden. Als Mutter Teresa wurde das Mädchen aus Skopje zur Verkörperung der Nächstenliebe. Die "Mutter der Armen" ist Menschen aller Hautfarben, Sprachen und Kulturen ein Begriff. Unweigerlich rückt das Bild der kleinen, gebückten Frau im weißblauen Sari vor das innere Auge, die fast immer ein gütiges Lächeln in ihrem zerfurchten Gesicht zeigte.

Autor/in:
Helmut S. Ruppert
 (DR)

1910 in Skopje geboren, hatte sich Mutter Teresa bereits mit 18 Jahren als Missionsschwester nach Indien begeben und dort als Lehrerin gewirkt - eine «übliche» Missionskarriere. Ihr weiterer Weg schien für 20 Jahre zunächst in kalkulierbaren Bahnen vorgezeichnet: Geographielehrerin und - weil überdurchschnittlich begabt - schließlich Direktorin einer höheren Töchterschule in Kalkutta.

Doch täglich begegneten ihr die Bettler, die Ausgemergelten und Kranken; die Kinder, die als unerwünschter Ballast ausgesetzt, ja sogar in Mülltonnen geworfen wurden. Eine «Damaskus-Stunde» beendete ihr normales Leben als Missionarin. «Gott rief mich», erklärte sie später mit schlichten Worten das, was da in ihr vorgegangen war. Gleichwohl lebte sie offenbar keine von Glaubenszweifeln unangefochtene, kindliche Frömmigkeit, wie erst jüngst veröffentlichte private Notizen und vertrauliche Briefwechsel der Seligen offenbaren. Ein ganzes Jahrzehnt lang durchlitt die Ordensfrau schmerzhafte Zweifel an ihrer Mission, menschliche Unzulänglichkeit und quälende seelische Einsamkeit.

Tief betroffen vom Elend
Tief betroffen vom Elend in den Slums von Kalkutta verließ sie 1948 ihr Kloster und gründete eine eigene Ordensgemeinschaft, die sich ausschließlich dem Dienst an den Ärmsten der Armen, den Findelkindern wie den Sterbenden auf der Straße widmete. Immer mehr junge Frauen, zunächst in Indien und später auf allen Kontinenten, schlossen sich den «Missionarinnen der Nächstenliebe» an.

1979 wurde Mutter Teresa, die längst zu einem weltweiten Symbol für christliche Nächstenliebe geworden war, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet - «in Anerkennung ihrer Tätigkeit, der leidenden Menschheit Hilfe zu bringen», hieß es in der Verleihungsurkunde. Die kleine Nonne mit dem weißen Sari und der zerschlissenen Strickjacke hatte weder eine Lobby, noch standen politische Interessen hinter ihr.


Weltweites Vorbild Nummer Eins
Oder doch? Mutter Teresas Lobby waren die Ärmsten der Armen in den Slums der Millionenstädte der Welt. Kaum eine Persönlichkeit verkörperte - gerade für junge Menschen - so glaubwürdig wie sie das christliche Gebot der Liebe zu den «geringsten unter den Brüdern». Wenn nach Vorbildern gefragt wurde, stand in aller Welt stets ihr Name auf Platz eins.

Als am 5. September 1997 die Nachricht von ihrem Tod um den Globus ging, reagierten Politiker und kirchliche Würdenträger mit Trauer und Bestürzung. Mutter Teresa - das war, wie der Papst nach Bekanntwerden der Todesnachricht 1997 spontan formulierte, «ein Geschenk an die Kirche und an die Welt». Bereits sechs Jahre später, 2003, sprach das katholische Kirchenoberhaupt sie unter dem Jubel Zehntausender selig. Seitdem warten Millionen Anhänger weltweit auf die Nachricht ihrer Heiligsprechung. Dafür fehlt aber noch ein Heilungswunder.

Sie braucht keine Denkmäler
Auch ohne dies ist die Begeisterung für den «Engel von Kalkutta» ungebrochen. Zu ihrem 100. Geburtstag gibt etwa das Bundesfinanzministerium eine Sonderbriefmarke im Wert von 70 Eurocent heraus. Und wenn die Deutschen das Konterfei der Ordensfrau auf Umschlägen und Karten durch die Lande schicken können, rollt durch ihre Wahlheimat Indien gleich ein ganzer Mutter-Teresa-Express: Die indische Eisenbahn will einen Zug nach der seligen Nonne benennen, wie Eisenbahnministerin Mamata Banerjee in Kalkutta ankündigte.

Eigentlich braucht Mutter Teresa gar keine Denkmäler: Denkmäler sind ihr Leben und ihr Werk. Zu ihrem 100. Geburtstag und mehr als zehn Jahre nach ihrem Tod ist sie unvergessen - und damit so lebendig wie zu Lebzeiten.