Hilfswerke blicken möglichen Großspendern ambivalent entgegen

Aber nicht um jeden Preis

Hilfswerke in Deutschland bewerten die Spenden-Initiative von US-Milliardären grundsätzlich positiv. In einer Umfrage von domradio.de betonen die kirchlichen Organisationen Misereor, Missio und Brot für die Welt gleichzeitig die Bedeutung von Kleinspendern, langfristiger Hilfe und autarken Entscheidungen.

 (DR)

Hein Brötz, Leiter der Lateinamerika-Abteilung bei Misereor
domradio.de: Wie bewerten Sie die Spendenankündigung aus den USA?
Brötz: Ambivalent. In USA gibt er grundsätzlich eine andere Charity-Kultur als in Deutschland. Bei uns bekennen sich weniger Menschen so offen zu ihrem Reichtum. Und sie würden auch nicht so viel auf einen Schlag spenden. Aber grundsätzlich ist die Ankündigung natürlich positiv. Auf der anderen Seite dürfte es nach meinem Gerechtigkeitsempfinden gar nicht so viele Milliardäre geben. Menschen dürften gar nicht in eine Situation kommen, sich als derartig große Spender feiern zu dürfen. So große Gewinne müssten schon früher von Staat und Gesellschaft schon abgeschöpft werden. Denn was Einzelpersonen mit ihren Spenden machen, ist auch von ihnen gelenkt. Die großen Sponsoren entscheiden darüber, was opportun ist und was nicht. Dabei sollten verschiedene Menschen über Fragen von Gemeinwohl mitentscheiden.
domradio.de: Welche Rolle spielen Großspenden bei Misereor?
Brötz: In Deutschland gibt es durchaus Großspender. Auch bei Misereor. Aber noch mehr Kleinspender gibt es. In der Masse ist die Solidaritätsbereitschaft noch. Die am meisten geben sind nicht die, die am meisten haben.
domradio.de: Was wäre, wenn ALDI-Gründer Karl Albrecht Ihnen eine Milliarde geben wollte?
Brötz: Wichtig wäre es, dass Karl Alberecht uns freie Hand lässt, das Geld zu investieren. Wir denken bei der Entwicklungspolitik von unten nach oben und schauen auf unsere Projektpartner vor Ort. Entwicklungspolitik hat außerdem immer viel mit Konflikten zu tun, zum Beispiel muss man immer die Verhältnisse hinterfragen dürfen, diese Freiheit muss gegeben sein. Wenn er sich darauf einlassen könnte, dann gerne.

Rainer Lang, Sprecher bei Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe
domradio.de: Was halten Sie von der Spenden-Initiative in den USA?
Lang: Natürlich ist das eine positive Meldung. Es gab den Trend, dass weltweit in den letzten 20, 30 Jahren haben die Vermögenden immer mehr bekommen haben, weil sie immer auch immer weniger besteuert wurden. Auch in Deutschland.
domradio.de: Welche Rolle spielen Großspenden bei uns?
Lang: Großspender spielen eine Rolle. Gerade bei größeren Katastrophen erhalten wir größere Spenden. Von Unternehmen, aber auch von Privatleuten. So spendete bei der Haiti-Katastrophe eine einzelne Person 200.000 Euro. Aber man muss auch sagen: Die Masse macht den Großteil unseres Spendenaufkommens aus. Da ist jeder wichtig, der was abzweigt. Auch die Großmutter, die 20 Euro überweist.
domradio.de: Würden Ihnen jetzt eine Milliarde Euro oder mehr angeboten - was würden Sie damit machen?
Lang: Wir hätten genügend Projekte, um so viel Geld sinnvoll einzusetzen. Bei der Diakonie Katastrophenhilfe und bei Brot für die Welt. Bei der kurzfristigen Hilfe muss man halt schauen, wie das Geld sinnvoll eingesetzt werden kann. Das fällt uns Brot für die Welt noch leichter. Hier können wir Projekte langfristig anstoßen, z.B. in der Aidsforschung oder beim Kampf gegen den Klimawandel.

Ludger Pötter, Spenderservice bei Missio
domradio.de: Wie bewerten Sie die Spendenankündigung aus den USA?
Pötter: Ich finde es gut, wenn Menschen darüber nachdenken könne, was sie mit ihrem Vermögen anfangen. Menschen, die ihr Vermögen als Verpflichtung und Verantwortung wahrnehmen. Aber man muss aufpassen, dass die Gelder nicht nach sachfremden Kriterien vergeben werden.
domradio.de: Welche Rolle spielen Großspenden bei Missio?
Pötter: Wir haben Großspender, allerdings beginnt das bei uns im vierstelligen Bereich. Milliardäre haben bei uns noch nicht gespendet, soweit ich weiß.
domradio.de: Versuchen Sie gezielt Vermögende zu erreichen?
Pötter: Wir versuchen Menschen zu identifizieren, die für die Arbeit von Mission offen sind. Menschen bei denen wir denken, da könnte es sich lohnen. Namen kann ich leider nicht nennen. Aber es gibt Prominente, die uns unterstützen.
domradio.de: Anders als in den USA bekennen sich in Deutschland Pötter: Prominente weniger zu Ihrem Spendertum. Würden Sie sich da auch eine andere Kultur bei uns wünschen?
Manchmal ja, es würde unsere schon Arbeit erleichtern. Wenn ein Prominenter das macht, hat das bei manchen eine gewisse Glaubwürdigkeit.
domradio.de: Was wäre, wenn ALDI-Gründer Karl Albrecht Ihnen eine Milliarde geben wollte?
Pötter: Den Bedarf unserer Partner können wir bei Weitem nicht erfüllen. Wenn er uns unterstützen wollte: Sehr gerne! Aber Offenheit hat Grenzen, Grenzen bei der Einflussnahme. Wir haben große Verantwortung gegenüber Partnern.

Prälat Bernd Klschaka, Geschäftsführer Adveniat
"Ich glaube nicht, dass die Initiative aus den USA zu einer weltweiten Revolution führt, wenn ich sie auch als positiv im biblischen Sinn bewerte. Zachäus hat die Hälfte seines Besitzes den Armen gegeben. Es ist natürlich gut, wenn es ihm die Reichen der Welt heute gleichtun."

Die Gespräche führte Michael Borgers.