Das Leben von Heiner Bielefeldt

Vom Priesteramtskandidaten zum UN-Sonderberichterstatter

Am meisten hat es wohl Heiner Bielefeldt selbst überrascht, dass ihn der UN-Menschenrechtsrat zum neuen Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Glaubens- und Gewissensfreiheit ernannte. Schaut man auf das Curriculum des Professors für Menschenrechte, wird schnell plausibel, weshalb sich der Menschenrechtsrat in Genf für ihn entschied. Als Nachfolger der pakistanischen Juristin Asma Jahangir soll der 52-jährige Deutsche der UN-Vollversammlung ab August zwei Mal im Jahr über die Lage der Religionsfreiheit in der Welt berichten.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

"Noch nach der Studentenzeit dachte ich, in mein Dorf zurückzukehren. Jetzt soll ich in New York irgendwelche Vorträge halten", scherzt er über seine neue Berufung. Erst vor einem Jahr hatte Bielefeldt den neu geschaffenen Lehrstuhl für Menschenrechte der Universität Erlangen-Nürnberg angetreten. Nun bekommt er im schweizerischen UN-Hauptquartier gleich noch einen weiteren Dienstsitz hinzu, der sicherlich auch der empirischen Forschung dienen kann aber einiges diplomatische Geschick und vor allem Expertise verlangt.

Diese konnte sich Bielefeldt als langjähriger Direktor des Deutschen Menschenrechts-Instituts erwerben. Dabei war der Anfang der 2001 von der rot-grünen Bundesregierung ins Leben gerufenen nationalen Menschenrechtsinstitution nicht leicht. Der erste Direktor, Percy MacLean, warf bereits nach einem halben Jahr das Handtuch - wegen erheblicher Meinungsverschiedenheiten über Ausgestaltung und Prioritäten der Arbeit.

Bielefeldt gelang es als Nachfolger, das Institut auf solide Grundlagen zu stellen und ihm parteiübergreifend in Politik und Gesellschaft Anerkennung und Autorität zu verschaffen. Dazu mag der unprätentiöse und freundliche Charakter des gebürtigen Rheinländers ebenso beigetragen haben wie der reflektierte Ansatz seines Menschenrechtsdenkens.

Bielefeldt begann seine akademische Laufbahn zunächst mit einem Theologiestudium als Priesteramtskandidat der Diözese Aachen. Doch wies der Lebensweg in eine andere Richtung. So folgte ein Geschichts- und Philosophiestudium in Tübingen.  "Religiös-musikalisch - um es mit Max Weber zu sagen", sei er geblieben. Für den UN-Sonderberichterstatter "ein Vorteil, aber kein Muss", wie er betont. "Es hätte auch ein Atheist werden können, denn wesentlich ist nicht die ,Musikalität', sondern das Gefühl für das Recht". Dieses schulte er neben seinem Studium so weit, dass er seit 1990 nicht nur an juristischen Fakultäten unterrichtete, sondern schließlich eine Honorarprofessur in Jura erhielt. Nach der Habilitation über die "Philosophie der Menschenrechte. Grundlagen eines weltweiten Freiheitsethos" wurde er in Bielefeld Hochschuldozent.

Den Weg zur Menschenrechtsthematik fand er über die Praxis. "Es war kein Schlüsselerlebnis, nur die Überzeugung, dass es sinnvoll ist, sich für menschenwürdige Verhältnisse einzusetzen", meint er heute nüchtern. Anfang der 80er Jahre engagierte er sich bei amnesty international für Dissidenten in der damaligen Sowjetunion, Flüchtlinge aus Kamerun oder die Menschenrechte in muslimischen Ländern.

Seine Grundüberzeugungen erhielt Bielefeldt im Elternhaus - eine Dorfschullehrerfamilie in Titz-Opherten, Kreis Düren. Die Erziehung war geprägt "vom Katholizismus und der dezidierten Absage an jede Form von Rassismus nach der schrecklichen Erfahrung der Nazi-Zeit".

Neben dem Beruf engagiert sich Bielefeldt im interreligiösen Dialog. Er gehört dem Kuratorium der Muslimischen Akademie in Deutschland und der Christlich-Islamischen Gesellschaft an. Seit 1999 ist er Mitglied in der deutschen Kommission Justitia et Pax (Gerechtigkeit und Frieden).

Trotz allem Engagement versucht Bielefeldt, regelmäßig für sein quasi-professionelles Hobby als Jazz-Pianist Zeit zu finden - um solo oder in einer Combo dem Lieblingsmusiker Bill Evans nachzueifern. Zur Entspannung greift er auch schon mal zu Büchern. Allerdings weniger zu gängiger Belletristik: Habermas, Schopenhauer, Kant - "für mein persönliches Kategoriensystem" -oder Thomas von Aquin. "Auf Latein - man versteht ihn deutsch ja gar nicht".