Koalitionsvertrag von Rot-Grün steht

NRW vor Machtwechsel

Knapp zwei Monate nach der Abwahl von Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen stellen sich die Parteien für den bevorstehenden rot-grünen Machtwechsel auf. SPD und Grüne verständigten sich am Dienstag in Düsseldorf auf den Koalitionsvertrag für die geplante Minderheitsregierung.

 (DR)

Nach nur vier Verhandlungsrunden steht der rot-grüne Koalitionsvertrag. Veröffentlicht wurde zunächst aber nur eine 31-seitige Kurzfassung des Vertrags unter der Überschrift «Gemeinsam neue Wege gehen». Erst am Mittwoch soll das vollständige 88-seitige Dokument veröffentlicht werden.

Neue Ministerpräsidentin soll die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft werden, Vize-Regierungschefin und Schulministerin die bisherige Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann. An die SPD gehen neben dem Amt der Ministerpräsidentin die Ministerien für Finanzen, Inneres, Justiz, Wirtschaft, Wissenschaft, Arbeit und Integration sowie Familie, Jugend und Kultur. Auch der Chef der Staatskanzlei soll von einem Vertreter der SPD gestellt werden.

Kraft will die SPD-Minister erst nach ihrer Wahl zur Regierungschefin benennen. Es gelte das alte Prinzip «Erst die Wahl, dann das Personal», betonte die Sozialdemokratin.

Die Grünen bekommen neben dem Schulressort ein Ministerium für Klimaschutz und Umwelt sowie ein Ministerium für Gesundheit und Emanzipation. Umweltminister soll Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Johannes Remmel werden. Als Gesundheitsministerin gilt Grünen-Fraktionsvize Barbara Steffens als gesetzt.

Kraft würdigte den schnellen Abschluss der Koalitionsgespräche in «Rekordzeit». Löhrmann sagte, der Vertrag mache sie «stolz». Die Minderheitsregierung wolle im Landtag für eine sozial gerechte und nachhaltige Politik für NRW Mehrheiten gewinnen.

Gemeinsam kündigten die Politikerinnen einen Nachtragsetat für 2010 an. «Rekordschuldenminister» Helmut Linssen (CDU) habe das wahre Ausmaß des Haushaltsdefizits «verschleiert», sagte Löhrmann. Deshalb müsse die Nettoneuverschuldung von 6,6 Milliarden Euro auf über neun Milliarden Euro steigen. Finanzminister Linssen habe unter anderem Lasten für die Stützung der WestLB nicht eingeplant. Kraft sprach von einer «schweren Hypothek» für das Land. Ab dem Jahr 2011 wolle man dann den Landesetat schrittweise konsolidieren.

Unter seiner Leitung werde die CDU-Fraktion der rot-grünen Minderheitsregierung «von Anfang an Paroli bieten» und sich als «klare Alternative» positionieren, kündigte der neue CDU-Oppositionsführer Laumann an. Der scheidende Minister gewann hauchdünn gegen den bisherigen Familienminister Armin Laschet. Von den 67 abgegebenen Stimmen entfielen bei einer Enthaltung 34 Stimmen auf Laumann und 32 auf Laschet. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hatte wegen der herben Niederlage bei der Landtagswahl am 9. Mai seinen Rückzug von allen Spitzenämtern in der Union angekündigt.

NRW-FDP-Generalsekretär Joachim Stamp kündigte ebenfalls einen harten Oppositionskurs gegen die aus seiner Sicht «hochgradig unseriösen» Vorhaben der neuen Landesregierung an. Die «unverantwortliche Neuverschuldung» lehne man ab.

Am Wochenende sollen Landesparteitage von SPD und Grünen dem Koalitionsvertrag zustimmen. Kraft soll voraussichtlich am 14. Juli im Landtag als Nachfolgerin von Ministerpräsident Rüttgers zur Regierungschefin gewählt werden. Ab dem zweiten Wahlgang reicht der SPD-Politikerin dabei die einfache Mehrheit.

SPD und Grünen fehlt im Landtag eine Stimme zur absoluten Mehrheit von 91 Sitzen. Schwarz-Gelb hatte die Landtagswahl am 9. Mai verloren. Nach wochenlangen erfolglosen Sondierungen mit anderen Parteien hatten SPD und Grüne Mitte Juni die Bildung einer Minderheitsregierung angekündigt. Sollte es zu diesem Machtwechsel im bevölkerungsreichsten Bundesland kommen, hätten CDU/CSU und FDP auch die Mehrheit im Bundesrat verloren. SPD und Grüne hatten bereits zwischen 1995 und 2005 in NRW regiert.