Erzbischof Rino Fisichella wird Leiter des neuen Ministerium für Missionsarbeit

Hansdampf fürs Evangelium

Was der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung genau machen wird, liegt noch im Ungewissen. Die Ernennung des ersten Leiters lässt jedoch erwarten, dass die Einrichtung bald Konturen gewinnt. Denn Erzbischof Rino Fisichella (58), seit Mittwoch Präsident der neuen Vatikanbehörde, zählt zu den rührigsten Kirchenmännern in Italien.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)


In den Medien des Landes ist der äußerlich unauffällige Geistliche ziemlich präsent - weniger mit den frommen Themen, an die der Titel seines neuen Amtes denken lässt, als vielmehr in handfesten ethischen Debatten: Seit zwei Jahren leitete er die von Johannes Paul II. gegründete «Päpstliche Akademie für das Leben», eine vatikanische Denkfabrik für Fragen um Bioethik, Lebensschutz und Familie.

In dieser Eigenschaft zog er gegen die sogenannte Abtreibungspille RU 486 und die Forschung an embryonalen Stammzellen zu Felde; er warnte vor einer genetischen Auslese des Menschen und verfocht das klassische Modell der Ehe von Mann und Frau. Zu seinen größten Kämpfen gehörte der um die 2009 verstorbene Wachkoma-Patientin Eluana Englaro. Jeder Patient, so betonte er damals, habe das Recht, auf aussichtslose medizinische Therapien zu verzichten - aber die Versorgung mit Wasser und Nahrung einzustellen hieße, einen Menschen verhungern und verdursten zu lassen.

Von Haus aus ist Fisichella dabei nicht einmal Moraltheologe, sondern Fundamentaltheologe. Damit begann der Geistliche, der 1951 in Codogno in der Nähe von Lodi in Norditalien geboren wurde, seine Laufbahn an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Von seinem Lehrstuhl berief ihn Johannes Paul II. 1998 zum Weihbischof in Rom. Vier Jahre später erhielt er den Ruf als Rektor an die Päpstliche Lateran-Universität, bevor ihm Benedikt XVI. ihm den Rang eines Erzbischofs und die Leitung der Akademie für das Leben verlieh.

Fisichella ist als Mann ohne große Berührungsängste bekannt: Seit 1994 Hauskaplan des italienischen Parlaments, verfügt er über ein weites Netz politischer Kontakte über alle Parteigrenzen hinweg. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der er in Talkshows debattiert, verlieh er auch den «Clericus Cup» an kickende Nachwuchsgeistliche. Für Termine in der Stadt reist er schon mal im Stadtbus an. Zu seinen Freunden zählte die exzentrische Starjournalistin Oriana Fallaci. Und er war es angeblich, der ein Jahr vor Fallacis Tod eine Privataudienz beim eben gewählten Papst Benedikt XVI. einfädelte.

Fisichella machte sich aber auch bei Amtskollegen nicht nur Freunde. Einigen Wirbel gab es, als nach einem spektakulären Abtreibungsfall in Brasilien - eine Neunjährige war durch Vergewaltigung schwanger geworden - die Solidarität mit dem Mädchen höher stellte als die kirchenrechtliche Frage der Exkommunikation. Das war ein Affront für den Erzbischof von Olinda und Recife, Jose Cardoso Sobrinho, der den Kirchenausschluss aller an der Abtreibung Beteiligten verkündet hatte. Lebensschützer antworteten mit harscher Kritik. Selbst Mitglieder von Fisichellas eigener Akademie verlangten angeblich seine Absetzung. Der Vatikan dementierte allerdings, dass ein solches Schreiben jemals eingegangen sei.

Auch im Missbrauchsskandal meldete sich Fisichella zu Wort. «Nicht einmal der Mangel an Berufungen kann eine Entschuldigung dafür sein, jeden aufzunehmen, der am Priesterseminar anklopft», sagte er. Es gebe kein «Recht auf das Priesteramt». Auch das fanden manche zu pointiert.

Einst galt Fisichella als möglicher Kandidat für einen ganz großen Posten. Sein Name fiel im Sommer 2004 bei Spekulationen um die Leitung der Glaubenskongregation. Damals rechnete man mit einem altersbedingten Ausscheiden von Kardinal Joseph Ratzinger. Für beide kam es anders. Fisichella wird freilich Gelegenheit finden, auch an seinem neuen Platz für Aufmerksamkeit zu sorgen.